Apothekenpflicht

Phytos in Gefahr Nadine Tröbitscher, 15.06.2017 09:07 Uhr

Berlin - 

Der Sachverständigenausschuss für Apothekenpflicht (SVA) hat getagt, nun wird die Lage ernst. Etwa acht Jahre war es ruhig, nun könnten einige pflanzliche Blockbuster aus der Apotheke bald Konkurrenz aus der Drogerie bekommen. Auch eine Abwanderung einzelner Marken aus den Apotheken ist nicht auszuschließen.

Der SVA hat seine ersten mehrheitlich beschlossenen Empfehlungen abgegeben. Auf der Tagesordnung standen unter anderem Zubereitungen aus Teufelskrallenwurzel, Thymiankraut einzeln und in Mischungen mit Primelwurzel sowie Goldrutenkraut beziehungsweise Echtem Goldrutenkraut.

Auch Zubereitungen aus Birken- und Orthosiphonblättern – jeweils einzeln und gemeinsam – sowie die Kombinationen aus Birkenblättern und Goldrutenkraut/Echtem Goldrutenkraut beziehungsweise Birkenblättern, Orthosiphonblättern und Goldrutenkraut/Echtem Goldrutenkraut sollen aus der Apothekenpflicht entlassen werden. Die Positionen beziehen sich auf Produkte, die als traditionelle pflanzliche Arzneimittel registriert sind.

Für drei Phytopharmaka nahm die Sitzung kein gutes Ende: Goldrute, Birken- und Orthosiphonblätter – als Monopräparate sowie in den einzelnen Kombinationen – könnten demnächst aus der Apothekenpflicht entlassen werden. Die Experten gaben grünes Licht Betroffen wären dann beispielsweise Ardeynephron-Kapseln. Das apothekenpflichtige, traditionelle pflanzliche Arzneimittel ist zur Durchspülungstherapie registriert und enthält Orthosiphon.

Für Teufelskralle sowie Thymian und seine Zubereitungen wird empfohlen, den Antrag auf Entlassung aus der Apothekenpflicht abzulehnen. Bei Teufelskralle müssen Hersteller wie Doppelherz (Queisser) und Altpharma (Rossmann) weiter tricksen: Die Packung suggeriert die Wirkung gegen Rücken- und Gelenkschmerzen, dennoch wird es als Mittel „zur Unterstützung der Verdauungsfunktion“ vermarktet.

Thymian-haltige Produkte wie Bronchipret (Bionorica), Bronchicum (Klosterfrau) wären ohnehin nicht betroffen gewesen, sie haben nämlich genauso eine Zulassung als pflanzliche Arzneimittel wie das Blasenmittel Cystinol long (Schaper & Brümmer) oder die Rheumamittel Sogoon (Aristo) und Teltonal (Hexal).

Nur vereinzelt gibt bereits heute „Fremdgänger“ mit entsprechenden Bestandteilen: Die Bronchicum-Lutschtabletten mit 11,25 mg Trockenextrakt sind als registrierte Arzneimittel „zur Unterstützung der Schleimlösung bei Husten im Rahmen von Erkältungen“ nicht apothekenpflichtig und damit immer wieder im Drogeriemarkt zu finden. Die Lutschpastillen enthalten dagegen 42 mg Extrakt und haben eine Zulassung „zur Besserung der Beschwerden bei Erkältungskrankheiten mit zähflüssigem Schleim“ und „zur Besserung der Beschwerden bei akuter Bronchitis“.

Die Phytopharmaka sollten bereits 2014 in den Mass Market entlassen werden, damals waren aber konkret die Trocken- beziehungsweise Fluidextrakte genannt worden. Außerdem gab es keine Einschränkungen mit Blick auf den Zulassungsstatus. Nach schriftlichem Austausch wies der Ausschuss die Anträge ab.

Eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel erhalten Präparate, die seit mindestens 30 Jahren medizinisch verwendet werden, die Hälfte von in der EU. Daten zur klinischen Wirksamkeit müssen jedoch nicht vorgelegt werden, sondern nur Daten zur pharmazeutischen Qualitäts- und Sicherheitskontrolle. Prominente Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind die Hexal-Produkte Pelasya und Solvohexal. Ob ein traditionelles pflanzliches Arzneimittel apothekenpflichtig ist, hängt von der belegten Indikation ab.

Das letzte Treffen der Experten ist acht Jahre her, damals wurden Melisse und Passionsblume jeweils in Kombination mit Baldrian sowie Artischocke aus der Offizin entlassen.