Industrieapotheker, die als Sachkundige Person (Qualified Person, QP) arbeiten, bekommen mehr Verantwortung: Die EU-Kommission hat ihren Leitfaden für Good Manufacturing Practice (GMP) überarbeitet. Die QP ist künftig auch bei globalen Herstellungs- und Lieferprozessen vollumfänglich für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich.
In der überarbeiteten Version wird nun ein verlässliches und anerkanntes Qualitätsmanagementsystem (QMS) nicht nur für die Herstellung, sondern auch für den Transport von Arzneimitteln gefordert. Da die QP in einem globalisierten Prozess nicht vollständig vor Ort sein kann, muss eine lückenlose Dokumentation sämtlicher Zwischenschritte an allen involvierten Standorten vorhanden sein. Dafür trägt laut EU-Leitlinie die QP nun die vollständige Verantwortung.
Als wichtiger Schritt wird dabei die Durchführung von Audits an allen Standorten genannt. Ebenso muss gewährleistet sein, dass neben dem eigentlichen Herstellungsprozess auch die Lager- und Transportbedingungen kontrolliert sind. Die QP muss außerdem dafür sorgen, dass der Prozess der Probennahme zur Qualitätskontrolle genau festgelegt und dokumentiert ist.
Eine Schlüsselrolle nimmt die QP zukünftig bei der Beurteilung von Abweichungen ein. Auch eine Charge mit ungeplanten Abweichungen kann zertifiziert werden. Dazu muss eine wissenschaftlich fundierte Risikobewertung durchgeführt werden. In Bezug auf Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit des Produktes dürfen keine negativen Auswirkungen erkennbar sein.
Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) befürchtet mit der Umsetzung der Leitlinie einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand. Insbesondere Lieferanten von Hilfsstoffen könnte die Neuregelung vor Probleme stellen, so ein Sprecher. Diese produzierten oftmals nur einen kleinen Teil ihrer Ware für den pharmazeutischen Markt, müssten aber ihre Prozesse komplett an den strengen Vorgaben der EU-Kommission ausrichten.
Den Herstellern wird zur Umsetzung der Änderungen ein Zeitfenster von sechs Monaten eingeräumt. Die Leitlinie ist als bindende Vorgabe im Arzneimittelgesetz (AMG) genannt. Am 15. April 2016 tritt die neue Version des Dokumentes in Kraft.
Die Verantwortlichkeiten der QP im EU-Leitfaden für GMP wurden zum ersten Mal seit Inkrafttreten im Jahr 2001 überarbeitet. Der Anhang 16 „Zertifizierung durch eine Sachkundige Person und Chargenfreigabe“ soll nun dem Umstand Rechnung tragen, dass die Herstellungsprozesse von Arzneimitteln zunehmend globalisiert stattfinden und lange Transportwege auftreten. Ein Ziel dabei ist, dem Auftreten von gefälschten Arzneimitteln in der Lieferkette noch stärker vorzubeugen.
Die Leitlinien der EU-Kommission passen sich damit den bereits seit 2010 implementierten Leitlinien der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) zum gleichen Thema an. Der In-Prozesskontrolle und Qualitätssicherung wird darin ein höherer Stellenwert beigemessen als zuvor, die Endkontrolle dient oft nur noch der formalen Bestätigung.
Hersteller im Ausland müssen bereits seit längerem besondere Maßnahmen ergreifen, um Wirkstoffe in die EU einführen zu dürfen. Bereits seit 2013 dürfen nur noch Wirkstoffe zur Weiterverarbeitung in die EU eingeführt werden, die nach Standards der guten Herstellungspraxis produziert wurden, die denen in Europa mindestens gleichwertig sind. Dies muss mit einem Zertifikat der Behörden aus den Drittstaaten belegt sein.
Die Einhaltung der GMP-Grundsätze wird in Europa durch die sogenannten „zuständigen Überwachungsbehörden“ überwacht. In Deutschland haben die Bundesländer dabei die Verantwortung. In der Regel ist das Regierungspräsidium oder die Bezirksregierung dafür zuständig.
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