Pflegepersonal: Zeigt her eure Hände Alexandra Negt, 22.11.2019 14:10 Uhr
Multiresistente Keime sind in Kranken- und Pflegeeinrichtungen zunehmend ein Problem. Für Patienten auf der Intensivstation kann eine nosokomiale Infektion unter Umständen tödlich verlaufen. Die Übertragung erfolgt meist über die Hände. Hygienebeauftragte sollen Konzepte zur Vermeidung der Keimverschleppung erarbeiten – bei der Umsetzung ist das Personal gefragt.
Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt seit 20 Jahren, dass „MRSA-Träger unter dem Personal bis zur nachgewiesenen Sanierung keine Patienten behandeln und pflegen sollten“. Diese Empfehlungen laufen unter der Evidenzkategorie II. Das bedeutet, Ausnahmen dieser Regelung sind in Abhängigkeit vom jeweiligen Infektionsrisiko möglich. Um weiterarbeiten zu dürfen, sollten bestimmte Bedingungen erfüllt sein: Der Mitarbeiter sollte Berufserfahrung im Umgang mit MRSA-Patienten haben und bei nasaler Besiedlung mit Mundschutz arbeiten, dieser sollte über den Nasenflügeln zusammengedrückt werden, sodass Atemluft nicht ungehindert austreten kann. Im Reanimationsteam sollte der infizierte Mitarbeiter vorerst nicht mehr eingesetzt werden.
Das Centrum für diagnostische und präventive Labormedizin der Charité verweist darauf, dass eine Übertragung von besiedeltem Personal auf den Patienten selten ist. Wird durch das Personal ein Keim übertragen, so erfolgt dies meist von Patient zu Patient über die Hände des Personals – die Bedeutung der hygienischen Handdesinfektion darf somit nicht außer Acht gelassen werden. Die Charité gibt zu bedenken, dass die Einsatzmöglichkeiten von besiedeltem Personal eine noch unbeantwortete Frage ist – ein Beschäftigungsverbot könnte nicht ausgesprochen werden. Ein Personalscreening würde auch immer die Gefahr von Unsicherheiten und Stigmatisierungen bergen, jedes Krankenhaus sollte daher laut Charité feste Regeln und Voraussetzungen zur Durchführung niederschreiben.
Die Kommission für Krankenhaushygiene (KRINKO) empfiehlt auf regelmäßiges Personalscreening zu verzichten. Im Falle einer nosokomialen Infektion von mehr als zwei Patienten mit epidemiologischem Zusammenhang, sowie der zusätzlichen Besiedlung eines medizinischen Angestellten, kann ein Screening diskutiert werden. Die Festlegungen zur Vorgehensweise sollten proaktiv niedergeschrieben werden, sodass im Akutfall strukturiert gehandelt werden kann. Die Regeln sollten von der Betriebsmedizin, dem Hygienebeauftragten und einer Personalvertretung zusammen ausgearbeitet werden. Ziel sollte ebenfalls die leichte Durchführbarkeit von anlassbezogenen Personalscreenings sein. Die Dekolonisation von gesundem medizinischem Personal sei unproblematisch. Bei vorliegender Infektion sollte diese vor Antritt einer Therapie ausgeheilt sein.
Die Dekolonisation erfolgt mit der Anwendung spezieller Nasensalben, Mundspüllösungen und Waschlotionen. Die Nasensalben enthalten entweder Antibiotika wie zum Beispiel Mupirocin oder desinfizierende Substanzen. Verwendete Mundspüllösungen und Waschlotionen enthalten ebenfalls desinfizierende Substanzen wie Octenidin-Hydrochlorid oder Chlorehexidin. Eine Erfolgskontrolle wird mittels Abstrich durchgeführt: Frühestens drei Tage nach erfolgreich beendeter Sanierung werden Abstriche genommen – um eine erfolgreiche Dekolonisation zu bestätigen, müssen alle Tests negativ ausfallen.
Der häufigste Übertragungsweg ist der über die Hände. Pflegepersonal wird deshalb zu einer regelmäßigen hygienischen Händedesinfektion angehalten. Diese erfolgt mit mindestens 3 ml alkoholischer Lösung für mindestens 30 Sekunden vor und nach jedem Patientenkontakt. Optimalerweise verfügt jedes Patientenzimmer über zwei Desinfektionsmittelspender – einen im Schlafbereich und einen im Badezimmer. Darüber hinaus sollte sich am Eingang jeder Station sowie am Haupteingang der Einrichtung ein Spender befinden, sodass auch Besucher sich vor und nach dem Aufenthalt die Hände desinfizieren können.
Eine Isolation von Patienten, bei denen ein multiresistenter Keim nachgewiesen wurde, wird empfohlen. Bei direktem Kontakt mit infizierten Patienten wird das Tragen von Schutzkleidung empfohlen, diese besteht aus Einmalkitteln und Handschuhen. Gleiches gilt auch für die Besucher. Das Tragen eines Mundschutzes wird bei möglicher Kontamination durch den Patienten (Husten, Niesen) empfohlen. Die unmittelbare Umgebung des isolierten Patienten (Bett und Nachttisch) sollte täglich mit geeigneten Desinfektionsmitteln gereinigt werden.
Zu den vier häufigsten multiresistenten Keimen gehört der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), der community-acquired Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (cMRSA), die Vancomycin-resistenten-Enterokokken (VRE) und die Extended-Spektrum-Beta-Laktamasen (ESBL).
MRSA
Bis zu 30 Prozent der Bevölkerung sind mit diesem Bakterium besiedelt. Hauptsächlich kommen sie in den Nasenvorhöfen, im Rachen, unter den Achseln und in den Leisten vor. Bei ansonsten gesunden menschen bleiben Krankheitssymptome aus. Die Übertragung erfolgt meist durch Händekontakt oder verunreinigte Oberflächen. MRSA gehört zu den klassischen Krankenhauskeimen.
cMRSA
Das „c“ steht für Community-required und bedeutet „in der Gemeinschaft erworben“. Diese Zusatzbezeichnung soll verdeutlichen, dass es sich bei diesem Keim nicht um einen Hospital-Keim handelt, er tritt unabhängig von Kranken- und Pflegeeinrichtungen auf. Diese besondere Keimart ist zusätzlich gegen Fusidinsäure resistent. Es kann zur Ausbildung von rezidivierenden Abszessen und Pneumonien mit nekrotischem Verlauf kommen.
VRE
Diese Enterokokken kommen im Darm vor. Bei gesunden Personen führt dieser Bakterienstamm zu keinen Komplikationen, bei kranken und immungeschwächten Menschen kann es zu Harnwegsinfekten, Vaginalinfektionen oder Wundinfektionen kommen. Für die Behandlung stehen nur wenige Reserve-Antibiotika zu Verfügung.
ESBL
Dieser Keim besiedelt den menschlichen Darm und wird über den Stuhl ausgeschieden. Bei unzureichender Hygiene kann eine Übertragung über die Hände erfolgen. Zu den häufigsten Komplikationen aufgrund von ESBL gehören Harnwegsinfektionen. Neben MRSA lösen diese Bakterienstämme die schwersten Infektionen in Krankenhäusern aus.