Sterbehilfe ist nach wie vor ein umstrittenes und sensibles Thema, das kontrovers diskutiert wird. Im Februar dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Für Suizidhilfe-Vereine und Betroffene ist dies ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Doch wie läuft assistierte Sterbehilfe eigentlich ab, welche Regelungen gibt es und welche Rolle spielt der Wirkstoff Pentobarbital?
Das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe wurde 2015 eingeführt: § 217 Strafgesetzbuch (StGB) stellt die sogenannte „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe. „Geschäftsmäßig“ im juristischen Sinne bedeutet aber nicht gewerblich, sondern so viel wie „auf Wiederholung angelegt“. Bei Verstößen drohen bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Lediglich Angehörige und „Nahestehende“, die beim Suizid unterstützen, bleiben straffrei. Dadurch sollte verhindert werden, dass Suizidhilfe-Vereine wie Sterbehilfe Deutschland oder Dignitas aus der Schweiz ihre Angebote für zahlende Mitglieder ausweiten und gesellschaftsfähig werden. Nach dem Verbot hatten professionelle Sterbehelfer ihre Dienste in Deutschland zum Großteil eingestellt. Dennoch wurde von ihnen gegen das Verbot geklagt. Auch viele schwerkranke Patienten schlossen sich der Klage an, um die Dienste bei Bedarf in Anspruch nehmen zu können.
Zu Beginn des Jahres wurde das Verbot für nichtig erklärt – denn es verstoße gegen das Grundgesetz. Es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Das schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei Angebote von Dritten in Anspruch nehmen zu können. Außerdem darf gemäß einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 2017 den Sterbewilligen „in extremen Ausnahmesituationen” ein Zugang zu einer tödlichen Dosis Betäubungsmittel nicht verwehrt werden.
Die Regierung hat sich jedoch bis zur gerichtlichen Aufhebung geweigert, dieses Urteil umzusetzen: Bisher wird verhindert, dass Schwerkranke auf Antrag Zugang zu Betäubungsmitteln in tödlicher Dosis beispielsweise durch einen Arzt erhalten. Das Bundesgesundheitsministerium wies 2018 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) an, entsprechende Anträge von Bürgern abzulehnen. Mehr als hundert Menschen haben den Antrag mit ihren Unterlagen eingereicht – der Großteil wurde abgelehnt, über einige wurde noch nicht entschieden.
Aktive Sterbehilfe – also die Tötung durch einen anderen auf Verlangen, beispielsweise durch eine Spritze – ist und bleibt in Deutschland verboten. Eine andere Variante stellt die sogenannte „assistierte Sterbehilfe“ dar: Dabei wird das tödliche Medikament von einem anderen Menschen zur Verfügung gestellt, der Patient nimmt es aber selbst ein. In einigen US-Staaten wie beispielsweise Oregon oder auch Nachbarländern wie der Schweiz ist diese Methode erlaubt.
Grundsätzlich ist in Deutschland die Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafbar; Ausnahme stellte bisher die nun gekippte geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung dar. Möglich ist jedoch Strafbarkeit wegen eines Unterlassungsdelikts, beispielsweise wenn der Freitodwillige bewusstlos geworden ist und dann aufgefunden wird: Dann kann die sogenannte „Garantenpflicht“ beziehungsweise die „unterlassene Hilfeleistung“ zum Tragen kommen. Die Ausnahme: Der Sterbewillige hat die entsprechende Person schriftlich von ihrer Garantenpflicht entbunden.
Für eine assistierte Sterbehilfe kommt meist der Wirkstoff Pentobarbital zum Einsatz. Es handelt sich dabei um eine mittellang wirksame Substanz aus der Gruppe der Barbiturate, welche auch in der Tiermedizin für die Euthanasie eingesetzt wird. In den USA wird das Mittel nicht nur für die assistierte Sterbehilfe, sondern auch als Hinrichtungsmethode verwendet. Früher wurde der Wirkstoff in der Humanmedizin als Schlafmittel eingenommen, 1915 hatte Bayer das Patent angemeldet. Aufgrund des hohen Missbrauchpotenzials sowie der Entwicklung von neuen Alternativen wurde es schließlich abgelöst.
Pentobarbital stellt das Sterbehilfepräparat Nummer 1 dar. Bei Dosierungen im Milligramm-Bereich wirkt es schlaffördernd, die letale Dosis ist abhängig vom Körpergewicht und beträgt einige Gramm. Durch die Überdosierung wird das Atemzentrum gelähmt – schließlich kommt es zum Tod durch Ersticken. Bei einer sogenannten „Freitodbegleitung“ wird das letale Medikament in einem Glas Trinkwasser aufgelöst. Nach dessen Einnahme schläft der Patient innerhalb weniger Minuten ein. Der Schlaf soll danach absolut schmerzlos in den Tod übergehen.
Für unheilbarkranke Patienten stellt die selbstbestimmte Einnahme der Substanz einen wichtigen Aspekt dar – quasi eine Art letzten Ausweg. Vor allem ALS-Patienten und Krebskranke kämpfen seit Jahren für ihre Rechte. Viele geben an, schon Sicherheit durch die bloße Möglichkeit der Anwendung zu verspüren. Auch die Organisation Dignitas erklärt auf ihrer Homepage, dass die Erfahrung zeigt, dass nur die wenigsten Personen die Dienste für eine Freitodhilfe jemals in Anspruch nehmen. Dennoch gibt es vielen Patienten Sicherheit, im Falle eines aussichtslosen langen Leidens, dem Leben selbst ein Ende setzen zu können.
Die selbstbestimmte Einnahme und damit die Selbsttötung stellt für viele Erkrankte nochmal einen Unterschied zum Angebot des assistierten Suizids der Sterbeorganisationen dar: Denn hier wird in der Regel nach langer Betreuung ein festes Datum für den Freitod festgelegt. Bei einer Selbsttötung könnte der Betroffene selbst und zu jeder Zeit entscheiden das Mittel zu nehmen. Auch die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben setzt sich für Betroffene ein: Bei einer Umfrage mit über 1000 Befragten ab 18 Jahren gaben 77 Prozent an, dass es Ärzten grundsätzlich erlaubt sein sollte, Schwerstkranke in dieser Form beim Freitod zu unterstützen. Den größten Zuspruch gab es in der Gruppe der 45- bis 55-Jährigen mit 85 Prozent. Die Meinung der Bevölkerung zur Möglichkeit ärztlicher Suizidbegleitung ist demnach eindeutig positiv.
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