PEI hat Antikörpertests getestet Alexandra Negt, 23.01.2022 05:22 Uhr
Zu Beginn der Pandemie gerieten die Antikörpertests schnell in die Kritik – es seien nur unzuverlässige und kaum aussagekräftige Ergebnisse möglich. Mittlerweile bieten immer mehr namenhafte Unternehmen Antikörpertests für bereits am Markt befindliche automatisierte Immunoassay-Systeme an. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat durch die Zusammenarbeit mit der der Universität Frankfurt am Main neue Erkenntnisse über die Sensitivität und Nachweisdauer dieser In-vitro Diagnostika erhalten.
In Zusammenarbeit mit der Universität Frankfurt am Main hat das PEI die Langzeit-Antikörperreaktion nach Sars-CoV-2-Infektion bei 828 Personen mit verschiedenen Covid-19-Schweregraden untersucht. Dabei wurden die bindenden Antikörper gegen unterschiedliche Sars-CoV-2-Zielantigene, neutralisierende Antikörper und die Antikörperavidität (Stärke der Antikörperbindung) gemessen. Sensitivität, Kinetik und Dauer des Antikörpernachweises waren dabei abhängig von der detektierten Antikörperklasse, dem Testdesign und dem Zielantigen des Anti-Sars-CoV-2-Antikörpertests.
Folgende Antikörpertests wurden in die Untersuchung miteingeschlossen:
- Wantai Sars-CoV-2 Ab (Wantai, ELISA)
- Advia Centaur COV2T (Siemens, CLIA)
- Elecsys Anti-Sars-CoV-2 S (Roche, ECLIA)
- Elecsys Anti-Sars-CoV-2 (Roche, ECLIA)
- Anti-Sars-CoV-2 ELISA (IgG) (Euroimmun, ELISA)
- Liaison Sars-CoV-2 S1/S2 (IgG) (Diasorin, CLIA)
- Anti-Sars-CoV-2-NCP-ELISA (IgG) (Euroimmun, ELISA)
- Architect Sars-CoV-2 IgG (Abbott, CLIA)
- Anti-Sars-CoV-2 ELISA (IgA) (Euroimmun, ELISA)
- Wantai Sars-CoV-2 IgM ELISA (Wantai, ELISA)
- Sars-CoV-2sVNT (Genscript, ELISA)
- recomLine Sars-CoV-2 IgG [Avidity] (Mikrogen, Immunoblot + avidity)
Untersucht wurden ELISA-, ECLISA- und CLIA-Tests. ELISA steht dabei für Enzyme-Linked ImmunoSorbent Assay, CLIA für Chemilumineszenz-Assay und ECLIA für Elektrochemilumineszenz-Immunoassay. Einfache Testkassetten wurden im Test nicht berücksichtigt. Auch die mobilen Geräte, die teilweise in Apotheken zum Einsatz kommen, wurden nicht getestet.
ELISA
Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich bei ELISA-Tests um ein qualitatives und quantitatives Nachweisverfahren zur Bestimmung eines Analyten. Der Nachweis beruht auf der Kopplung von spezifischen Antikörpern an Antigenen (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Durch eine Farbreaktion mit einem farblosen Substrat wird die Messung vollzogen.
CLIA
Mit diesem Verfahren können geringste Mengen einer klinisch oder biochemisch relevanten Substanz aus Körperflüssigkeiten ermittelt werden. Das Prinzip der CLIA-Methode basiert auf einer Antigen-Antikörper-Reaktion. Eine der Reagenten ist mit einer Peroxidase markiert. Ein weiteres Signalreagenz sendet hierauf ein Lichtsignal aus – dieses kann dann gemessen werden.
ECLIA
Diese Untersuchungsmethode verbindet die Vorteile der Biotin-Streptavidin-Technik mit dem hochsensitiven Detektionsverfahren der Elektrochemilumineszenz. Es handelt sich um einen Sandwich-Immunoassay. Zum Nachweis der eingesetzten markierten Immunkomplexe wird die Chemilumineszenzreaktion durch Anlegen einer elektrischen Spannung gestartet und dadurch eine präzise kontrollierte Reaktion erzeugt.
Antikörpertests können Personen identifizieren, die unbemerkt infiziert waren. So können Antikörpertests dazu beitragen, die Dunkelziffer nicht erkannter Infektionen besser abzuschätzen. „Die Interpretation von Sars-CoV-2-Antikörpertestergebnissen ist jedoch schwierig, da zum einen die Testergebnisse von Person zu Person sehr unterschiedlich ausfallen können“, so das PEI. Neben den großen methodischen Unterschieden sei zudem bislang unklar, wie lange nach einer Infektion eine spezifische Antikörperantwort nachweisbar ist. „Daher erfordert der Einsatz von Antikörpertests gegen Sars-CoV-2 ein eingehendes Verständnis der Variabilitäten der Testsensitivität sowie der Zeitabhängigkeit und Dauer des Antikörpernachweises.“
Die Antikörperreaktionen wurden über einen Zeitraum von mehr als 430 Tagen nach Sars-CoV-2-Infektion bestimmt. Von 390 Patient:innen wurden 828 Proben untersucht. Die Proband:innen litten an zwölf unterschiedlichen Covid-19-Schweregaden. „Erfasst und gemessen wurden verschiedene Antikörperklassen (Gesamtantikörper, IgG, IgA, IgM), unterschiedliche SARS-CoV-2-Zielantigene (Rezeptorbindungs-domäne (RBD), Spike- (S) und Nukleoprotein (N)), neutralisierende Antikörper und die Bindungsstärke von Antikörpern an Antigen (Antikörperavidität). Die Testspezifität wurde an 676 präpandemischen Proben bestimmt“, informiert das PEI.
Sensitivität und Nachweisdauer zeigen gewisses Muster
Je nach Testdesign, dem Zielantigen der Tests, der Antikörperbindungsstärke und dem Schweregrad zeigte sich bei der Sensitivität und Nachweisdauer ein gewisses Muster. „Ein charakteristisches Merkmal bei den meisten Patientinnen und Patienten war eine mit der Zeit zunehmende Antikörperbindungsstärke (Antikörperavidität) für die immunogenen Sars-CoV-2-Antigene RBD und Spikeprotein“, erläutert das PEI. Dabei sei die Avidität ein Korrelat (Maß) für die Antikörperreifung und die Bildung eines Immungedächtnisses.
Gesamtantikörpertests: Aufgrund ihres Testdesigns können diese Tests eine höhere Antikörperbindungsstärke messen. Tests, die „auf RBD (Reueptorbindungsdomäne) oder Spikeprotein basieren, zeigten daher mit zunehmender Antikörperavidität eine hohe Sensitivität und lange Nachweiszeit. Antikörper konnten dabei über mehr als 430 Tage nach der Infektion nachgewiesen werden, ohne dass ein Endpunkt absehbar war“.
Surrogat-Virusneutralisierungstests: Wurden neutralisierende Antikörper mit Surrogat-Virusneutralisierungstests bestimmt, so zeigte sich ebenfalls eine lange Nachweisdauer neutralisierender Antikörper von über 430 Tage. Surrogat-Virusneutralisierungstests hemmen die Bindung von RBD an die ACE2-Rezeptoren.
RBD- oder Spike-basierte Antikörpertests: Diese Tests weisen lediglich die einzelnen Antikörperklassen (IgG, IgA und IgM) nach. Bei ihnen konnte eine geringere Ausgangssensitivität und ein im Laufe der Zeit abnehmender Antikörpertiter festgestellt werden, „obwohl IgG- und IgA-Tests bis 430 Tage eine relativ hohe Sensitivität (Testpositivität) beibehielten“, erläutert das PEI.
Nukleoprotein-basierte Tests: Hier konnte ein Abfall der Antikörperspiegel bereits nach 120 Tagen gezeigt werden. Laut PEI führte dies bei den N-basierten IgG- und IgM-Tests auch zu einem Verlust der Sensitivität. „Es zeigte sich, dass dies mit einer entsprechenden Abnahme der Avidität für das nicht immunogene Nukleoprotein zusammenhing“, informiert das PEI.