Ein Psychiatrieverband hat wegen Lieferengpässen beim Antidepressivum Fluoxetin Alarm geschlagen und auf die Gefahren vor allem für Kinder und Jugendliche hingewiesen. Für dieses Alter sei Fluoxetin der einzige zugelassene Wirkstoff bei schweren Formen depressiver Störungen, abruptes Absetzen oder unregelmäßige Verfügbarkeit könnten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen und Rückfällen führen, teilte der Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP) mit.
Wie ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn am Freitag mitteilte, gibt es derzeit bei 70 Prozent der fluoxetinhaltigen Arzneimittel auf dem Markt Lieferengpässe. Betroffen seien alle Produkte der Firma Sandoz (Marken Hexal und 1A). Die Einschränkung sei auf eine Verunreinigung zurückzuführen, die weitere Freigaben bis auf weiteres verhindere, teilte der BfArM-Sprecher mit. Die ersten erneuten Freigaben seien für Ende Oktober geplant. Andere Stärken mit der Dosis 10 oder 20 Milligramm würden voraussichtlich erst im Dezember wieder produziert.
Der Psychiatrieverband BKJPP, der eigenen Angaben zufolge durch Mitteilungen von Mitgliedern und Anfragen in Apotheken auf den Missstand aufmerksam geworden war, teilte mit, dass Fluoxetin deutschlandweit schon seit zwei Wochen nicht mehr zu bekommen sei, unabhängig von Hersteller, Dosierung und Packungsgröße. „Erstmals in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist eine bisher verfügbare Substanz vollständig nicht mehr lieferbar, damit stehen Patientinnen und Patienten massiv in Gefahr“, hieß es.
Fachärztinnen und -ärzte stünden vor einem Dilemma, da es keine Alternativen gebe. Denn: Es ist der einzige Wirkstoff, der in Deutschland auch für die Behandlung einer Depression bei Kindern und Jugendlichen über 8 Jahren zugelassen ist. Die Therapie darf nur bei einer mittelgradigen oder schweren Depression in Kombination mit einer Psychotherapie erfolgen. Fluoxetin ist ein Antidepressivum, dessen Hauptwirkung in der Hemmung der Aufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt besteht. Der Wirkstoff ist stimmungsaufhellend, wirkt angstlösend, aber nicht sedierend.
Nicht nur Fluoxetin ist von Lieferengpässen betroffen. Es fehlt auch an Medikamenten für Palliativmedizin und Pflege. Arzneimittel, die psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände therapieren, sind seit Wochen nicht regulär verfügbar. Wenn es an essentiellen Psychopharmaka fehlt, können auch bisher gut eingestellte Menschen wieder auffällig werden oder schwere Rückfälle erleiden. Besonders betroffen sind so auch Menschen auf ihrem letzten Lebensweg, die auf starke Beruhigungs- oder Schmerzmittel angewiesen sind.
Achtung Aktualisierung: Am Freitagnachmittag ergänzte ein BfArM-Sprecher, man habe vom Hersteller die Information bekommen, dass die Produktion wieder aufgenommen und die Ware bereits wieder freigegeben sei.
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