Biosimilars

Patentablauf Humira: Die Uhr tickt APOTHEKE ADHOC, 09.10.2018 11:38 Uhr

Berlin - 

Die Nacht vom 16. auf den 17. Oktober ist eine ganz besondere, denn nicht jeden Tag verliert ein Blockbuster sein Patent. In wenigen Tagen ist es für Humira (Adalaimumab, AbbVie) – dem ausgabenstärksten Arzneimittel Deutschlands – mit der Exklusivität für das Basispatent vorbei. Erstmals stehen pünktlich zum Patentablauf Biosimilars in den Startlöchern.

Die Krankenkassen geben derzeit etwa eine Milliarde Euro pro Jahr für das Arzneimittel Humira aus. Zum Vergleich: Generische Arzneimittel, die einen Verordnungsanteil von etwa 80 Prozent halten, schlagen jährlich mit zwei Milliarden Euro zu Buche. Ein Ablauf eines Patentes in dieser Größenordnung scheint einmalig.

Ein Blick auf die von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) erteilten Zulassungen für Adalimumab-Biosimilars verrät einen heißen Start zum Patentfall. Denn bislang halten fünf Anbieter eine Zulassung für ein Biosimilar. Einige hatten bereits im vergangenen Jahr ein positives Votum erhalten. Auf den Startschuss warten Mylan mit Hulio, Amgen mit Amgevita, Boehringer mit Cyltezo, Samsung/Biogen mit Imraldi und Sandoz, das für drei Adalimumab-Biosimilars in verschiedenen Indikationen eine Zulassung hält. Doch bei den Konkurrenten wird es nicht bleiben, denn bei der EMA befinden sich weitere Adalimumab-Biosimilars im Zulassungsverfahren. In absehbarer Zeit könnten drei weitere Kandidaten dazu kommen.

Die Tatsache garantiert einen schnellen und intensiven Wettbewerb gleich zu Beginn des Patentfalls. Zwar werden vermutlich unter Berücksichtigung der Meldefristen, die ersten Biosimilars erst zum 1. November in der Taxe erscheinen, dennoch könnten die Arzneimittel bereits zuvor in den Markt eingeführt werden.

Humira wurde im September 2003 in der EU zugelassen. Adalimumab ist ein monoklonaler Antikörper, der den Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-alpha blockiert. Ist der Mediator für Entzündungsreaktionen gehemmt, können chronisch entzündliche Erkrankungen gemildert werden. Von der US-Arzneimittelbehörde FDA hat der Blockbuster 2002 die Zulassung erhalten, allerdings besteht in den USA noch ein Patentschutz bis etwa 2022. Inzwischen ist Humira in mehr als 80 Ländern zugelassen. Mehr als 400.000 Patienten wurden bereits mit dem Originator behandelt. Humira ist der Blockbuster bei AbbVie. Zuletzt hatte der rekombinante humane monoklonale Antikörper etwa 18 Milliarden US-Dollar eingebracht – beinahe der Gesamtumsatz.

Adalimumab ist zugelassen zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, juvenilen idiopathischen Arthritis, axialen Spondyloarthritis, Psoriasis-Arthritis, Psoriasis, Hidradenitis suppurativa, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Uveitis. Die juvenile idiopathische Arthritis ist dabei in polyatikuläre juvenile idiopathische Arthritis und die Enthesitis-assoziierte Arthritis unterteilt. Humira-Biosimilars könnten demnach für verschiedene Fachärzte – Dermatologen, Gastroenterologen und Rheumatologen – ein Thema sein. Auch die Kassen dürften mit Blick auf die hohen Kosten dem Patentfall entgegenfiebern.

Biosimilars sind sogenannte Nachahmerprodukte biotechnologisch erzeugter Wirkstoffe auf Basis von Proteinen, die nach dem Patentablauf zugelassen werden können. Da sich die Herstellungs- und Aufbereitungsverfahren unterscheiden, können Original und Nachahmer innerhalb gewisser Grenzen voneinander abweichen. Wissenschaftler sprechen von Mikroheterogenitäten.

Entscheidend ist die Aminosäurefrequenz des Biosimilars, sie muss mit dem Original identisch sein. Für die Zulassung sind eigene Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit notwendig. Die Hersteller dürfen sich – anders als bei einem Generikum – nicht auf die pharmakologischen und klinischen Studien des Originalanbieters beziehen. Allerdings ist das Studienprogramm etwas kleiner. Ein eigenes Herstellungsverfahren muss ebenfalls entwickelt und etabliert werden. Die günstigeren Biosimilars stellen für die Krankenkassen ein enormes Einsparpotential dar.