Neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Multisystematrophie (MSA) gehen mit der Ansammlung sogenannter „Alpha-Synuclein-Proteine“ im Gehirn einher. Forscher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie (MPI-BPC) beschäftigten sich mit dem Aufbau dieser Proteine. Dabei konnte eine Vielfalt von Strukturen festgestellt werden, die möglicherweise einen neuen Angriffspunkt liefert.
Alpha-Synuclein-Proteine kommen natürlicherweise im Körper vor – und das sowohl an den Zellmembranen wie auch in gelöster Form im Zellinneren. Man geht davon aus, dass sie an der Signalübertragung zwischen den Nervenzellen beteiligt sind. Wenn die Proteine verkleben, entstehen längliche Verklumpungen im Inneren der Nervenzellen: Solche Aggregate sind häufig bei Hirnerkrankungen zu finden, die mit neurologischen Beeinträchtigungen einhergehen – wie beispielsweise Parkinson oder MSA. „Diese Ablagerungen tauchen nach und nach in diversen Hirnregionen auf. Sie sind ein typisches Krankheitsmerkmal“, erläutert Professor Dr. Markus Zweckstetter, Forschungsgruppenleiter am DZNE und am MPI-BPC. „Es gibt Hinweise dafür, dass diese Aggregate für die Nervenzellen schädlich sind und die Krankheitsentwicklung vorantreiben.“
Die Erkenntnis über solche Ablagerungen könnte ein möglicher Ansatzpunkt für neuartige Medikamente sein: Diese könnten das Zusammenlagern der Alpha-Synuclein-Moleküle verhindern oder bereits bestehende Aggregate auflösen. Um allerdings genaue Wirkmechanismen und Andockstellen zu finden, sind Daten über die genaue Feinstruktur – die sogenannte „Faltung“ – dieser Protein-Agglomerate nötig. Bisher gab es dazu nur Ergebnisse aus Laborexperimenten.
„Bislang hatte man den molekularen Aufbau von Aggregaten untersucht, die sozusagen im Reagenzglas hergestellt wurden. Wir haben uns die Frage gestellt, wie gut diese die Situation beim Patienten widerspiegeln“, erklärt Zweckstetter. Deshalb haben sich die Forscher die Aggregate angeschaut, die aus Gewebeproben von Patienten generiert wurden. Dabei wurde eng mit internationalen Partnern zusammengearbeitet: Die Gewebeproben stammen aus Australien, die Aggregate wurden in Südkorea hergestellt. In Göttingen wurden schließlich die Struktur-Untersuchungen durchgeführt.
Untersucht wurden die Aggregate aus Gehirnproben von fünf verstorbenen Parkinson- und fünf verstorbenen MSA-Patienten. Zudem wurden verschiedene künstliche Alpha-Synuclein-Aggregate zum Vergleich hergestellt. Anschließend wurde die Struktur der unterschiedlichen Proben mithilfe von Kernspinresonanzspektroskopie und weiteren Methoden verglichen. „Wir haben festgestellt, dass die aggregierten Proteine aus dem Labor eine andere Struktur hatten, als alle aus Patientenmaterial generierten Aggregate“, erläutert Dr. Timo Strohäker, Erstautor der Studie. Zudem wurden Unterschiede zwischen den Proteinen der MSA-Patienten und der Parkinson-Patienten festgestellt: Die Proteine der verschiedenen MSA-Patienten hatten alle eine weitgehend ähnliche Form. Die Proteine der Parkinson-Patienten waren deutlich uneinheitlicher. „Vergleicht man die Proteine der verschiedenen Parkinson-Patienten untereinander, dann gibt es eine gewisse strukturelle Vielfalt.“
Alle Aggregate enthalten sogenannte „Beta-Faltblatt-Strukturen“ – diese wurden auch in vorherigen Untersuchungen bereits ermittelt. Die Proteine haben daher eine zweidimensionale Struktur und haften innerhalb der Aggregate schichtweise aneinander. Die Faltung der Proteine ist jedoch nicht durchgängig – jede Verklumpung enthält auch Abschnitte ohne definierte Struktur. Von Bedeutung ist zudem die Orientierung der Faltblatt-Bereiche. „Es geht darum, wie viel von einem Protein gefaltet ist und auch, wie es gefaltet ist“, sagt Zweckstetter.
Die Struktur des Alpha-Synucleins bei Parkinson zeigte zum Teil deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Patienten. Den Forschern zufolge könnte dies damit zusammenhängen, dass der Verlauf der Parkinson-Erkrankung von Mensch zu Mensch recht unterschiedlich sein kann. „Die Variabilität von Parkinson hängt möglicherweise mit Unterschieden in der Faltung des aggregierten Alpha-Synucleins zusammen.“ Das würde der Hypothese „One disease, one strain“ widersprechen: Diese besagt, dass Parkinson nur mit einer einzigen, klar definierten Aggregatform einhergeht. „Angesichts unserer relativ kleinen Stichprobe von fünf Patienten lässt sich das aber nur vermuten“, so Zweckstetter. „Unsere Ergebnisse belegen jedoch sicherlich, dass Studien mit Gewebeproben von Patienten notwendig sind, um Labor-Experimente sinnvoll zu ergänzen.“
Morbus Parkinson kann bislang nur symptomatisch therapiert werden. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch den Untergang dopaminerger Neuronen. Die vier Hauptsymptome sind Rigor, Bradykinese bin hin zu Akinese, Tremor sowie posturale Instabilität. Therapeutisch kommt derzeit in erster Linie Levodopa – die Dopamin-Vorstufe – zum Einsatz. Weiterhin können Dopaminrezepor-Agonisten wie Ropinirol und Pramipexol, Muscarinrezeptor-Antagonisten wie Biperiden, MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin), COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon), NMDA-Antagonisten (Amantadin) sowie Anticholinergika eingesetzt werden.
Forscher aus Peking und Iowa City untersuchten vor einigen Monaten den Einsatz von Alphablockern bei Parkinson: Die Wirkstoffe werden eigentlich bei gutartiger Prostatavergrößerung (BPH) eingesetzt. Terazosin soll beispielsweise neben seiner Wirkung auf die Alpha-1-Rezeptoren neueren Studien zufolge auch die Phosphoglycerat-Kinase-1 hemmen – ein Enzym der Glykolyse. Dadurch soll die Energieversorgung aller Körperzellen verbessert werden – darunter auch die des Gehirns. In der Substantia nigra, einer wichtigen Gehirnregion, könnte dieser Effekt helfen, einen vorzeitigen Zelltod zu vermeiden, welcher eine Ursache des Morbus Parkinson darstellt.
Weltweit sind rund zehn Millionen Menschen von der Erkrankung betroffen, die zu den häufigsten Krankheiten des Nervensystems zählt. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. Es werden verschiedene Formen der Parkinson-Erkrankung unterschieden, der Großteil der Fälle geht auf das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS) zurück, das keine bekannte Ursache hat. Daneben kann die Krankheit als Folge anderer neurologischer Pathomechanismen auftreten oder auch genetisch bedingt sein. Sind Ursachen bekannt, beispielsweise Arzneimittel oder Tumor, ist die Rede von einem symptomatischen Parkinson-Syndrom.
APOTHEKE ADHOC Debatte