Neurodegenerative Erkrankungen

Parkinson: Niacin gegen Zelluntergang

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Berlin -

Niacin (Nicotinsäure), ein Vitamin aus dem B-Komplex, kann möglicherweise das Absterben von dopaminhaltigen Neuronen stoppen und künftig ein Wirkstoffkandidat für die Therapie des Morbus Parkinson sein. Das haben Tübinger Wissenschaftler in internationaler Zusammenarbeit mit weiteren Kollegen herausgefunden.

Im vergangenen Jahr machten Forscher des Hertie-Instituts für klinische Forschung (HIH) die Entdeckung, dass die Funktionsfähigkeit der Mitochondrien bei der Pathogenese des Parkinson eine Rolle spielen könnte. Sie untersuchten Zellen eines an Parkinson erkrankten Patienten und beobachteten, dass ein wichtiges Protein namens TRAP1 (tumour necrosis factor type 1 receptor associated protein) fehlt, das die Energiegewinnung in den Mitochondrien reguliert. Das Vorhandensein dieses Eiweißmoleküls schützt vor einer mitochondrialen Dysfunktion.

„In unserer Studie wollten wir untersuchen, ob die beschädigten Mitochondrien nur eine Begleiterscheinung oder Auslöser der Parkinsonerkrankung sind“, sagt Studienleiterin Dr. Michela Deleidi vom HIH zum Ziel der aktuellen Studie. Um das zu prüfen, entnahmen die Wissenschaftler Hautzellen von Parkinsonpatienten. Diese stimulierten sie so, dass zunächst Stammzellen aus ihnen entstanden, die sich dann zu Neuronen weiterentwickelten. Die Zellen hatten einen Defekt im häufigsten Risikogen für Parkinson, dem sogenannten GBA-Gen. Die Funktion ihrer Mitochondrien und ihre Energieproduktion waren in diesen Nervenzellen beeinträchtigt.

Im nächsten Schritt versuchten die Forscher, die Bildung neuer Mitochondrien anzukurbeln. Für diesen Prozess ist das Coenzym NAD (Nicotinamid-Adenenin-Dinucleotid) von Bedeutung. Den Zellen wurde die Vorstufe des Coenzym, Nicotinamid-Ribosid, zugeführt. In der Folge nahm der NAD-Spiegel in den Zellen zu. „Der Energiehaushalt in den Nervenzellen verbesserte sich stark. Es bildeten sich neue Mitochondrien und die Energieproduktion erhöhte sich“, erzählt Deleidi.

Danach wurde die Wirkung dieser Substanz bei Fliegen untersucht. Bei Labortieren mit einem GBA-Gendefekt kommt es ähnlich wie beim Menschen zu einer dopaminergen Neurodegeneration; mit steigendem Alter können sie schlecht laufen und klettern. Die Forscher unterteilten sie in zwei Gruppen: Gruppe 1 erhielt Nicotinamid-Ribosid, Gruppe 2 nicht. „Der Wirkstoff erzielte auch hier eine positive Wirkung: Bei den behandelten Fliegen starben viel weniger Nervenzellen ab als bei den unbehandelten.“ Die Fliegen hatten zudem ein längeres Bewegungsvermögen. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der Verlust von Mitochondrien tatsächlich eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Parkinson spielt“, fasst Deleidi zusammen. „Die Gabe von Nicotinamid-Ribosid könnte ein neuer Therapieansatz sein.“ Künftigen seien Untersuchungen an Patienten geplant. „Andere Studien haben gezeigt, dass er von gesunden Versuchspersonen gut vertragen wird und auch bei ihnen den Energiestoffwechsel ankurbelt“, so Deleidi. Die Studienergebnisse sind im Fachjournal „Cell Reports“ nachzulesen.

Morbus Parkinson kann bislang nur symptomatisch therapiert werden. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch den Untergang dopaminerger Neuronen. Die vier Hauptsymptome sind Rigor, Bradykinese bin hin zu Akinese, Tremor sowie posturale Instabilität. Therapeutisch kommt derzeit in erster Linie Levodopa, die Dopamin-Vorstufe, zum Einsatz. Weiterhin können Dopaminrezepor-Agonisten wie Ropinirol und Pramipexol, Muscarinrezeptor-Antagonisten wie Biperiden, MAO-B-Hemmer (Selegilin, Rasagilin), COMT-Hemmer (Entacapon, Tolcapon), NMDA-Antagonisten (Amantadin) sowie Anticholinergika eingesetzt werden.

In Deutschland gibt es etwa 220.000 Parkinson-Patienten. Jährlich erkranken etwa 11 bis 19 Personen pro 100.000 Einwohner neu. Die Erkrankung betrifft vor allem bestimmte Teile des Gehirns. Diese Hirnbereiche weisen einen Mangel an Dopamin auf, da Dopamin-haltige Neuronen nach und nach absterben. Die Ursachen dafür sind nicht geklärt. Hirnbereiche mit den Nervenzellen, die den Botenstoff enthalten, kontrollieren willkürliche und unwillkürliche Bewegungen. Bewegungsstörungen sind daher typisch für die Erkrankung, dessen Hauptsymptome Akinese, Ruhetremor, Rigor, Stand- und Gangunsicherheit sowie Verlust der Stell- und Halterreflexe sind.

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