Transparency: Wer zahlt den Tamiflu-Schaden? APOTHEKE ADHOC, 16.02.2015 17:08 Uhr
Transparency Deutschland (TD) und die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit (DGIF) kritisieren den Einfluss von Pharmakonzernen auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese sei bei ihren Bekämpfungsplänen zur Schweinegrippe-Pandemie massiv beeinflusst worden. Die Organisationen fordern für die Zukunft eine neutrale wissenschaftliche Bewertung des Gefahrenpotentials und eine transparentere Vorbereitung durch zuständige Stellen. Außerdem sollte Tamiflu (Oseltamivir, Roche) von der Liste der unentbehrlichen Medikamente der WHO gestrichen werden.
Vor allem in den Jahren 2005 und 2009 hatten Bund und Länder im Rahmen der Pandemie-Pläne der WHO große Mengen Tamiflu und Relenza (Zanamivir, GSK) eingelagert. Für eine Pandemiebekämpfung seien die Präparate aber nicht geeignet, schreiben die beiden Organisationen.
Untersuchungen des Europarates, nationaler Regierungen und investigativer Journalisten hätten die mannigfaltigen Verflechtungen zwischen den WHO-Pandemie-Experten und den Herstellern im Zuge der Pandemiebekämpfungspläne offen gelegt.
„Dass die Informationsfreiheitsgesetze die Möglichkeit eröffnet haben, die Fehlkäufe bei der Pandemievorsorge von Medikamenten, [...] im Detail aufdecken zu können und die enorme Verschleuderung von Steuergeldern sichtbar zu machen, ist für die Öffentlichkeit äußerst wichtig“, sagte Dr. Angela Spelsberg von Transparency Deutschland.
Man wolle dazu beitragen, dass solche kostenträchtigen Ankäufe künftig nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden könnten. Insbesondere sollten die Kommissionen, die zuständig seien für den Ausruf des Pandemiefalles, für zu treffende Maßnahmen und zu bevorratende Medikamente, mit unabhängigen Experten besetzt und öffentlich kontrolliert werden. „Außerdem stellt sich die Frage, wer für den finanziellen Schaden in Höhe von 330 Millionen Euro aufkommt.“
Unabhängige Wissenschaftler der Cochrane Collaboration hatten schon vor 2009 die Offenlegung aller Studiendaten gefordert, weil es Diskrepanzen zwischen den veröffentlichten Studien und den zur Zulassung eingereichten Dokumenten gegeben habe. Auch TD hatte 2012 darauf bestanden.
Erst 2013 waren die Hersteller den Forderungen nachgekommen. Bei der Prüfung sei eine antivirale Wirksamkeit nicht nachweisbar gewesen. Die antiviralen Präparate wurden, wie von unabhängigen Wissenschaftlern vorhergesagt, nicht verwendet.
Die Haltbarbarkeitsdaten der Medikamente sind inzwischen teilweise abgelaufen, zum Teil seien die Medikamente vernichtet, die übrigen dürften in Kürze ebenfalls nicht mehr verwendbar sein, schätzt Transparancy.
Tamiflu und Relenza sind seit 2002 in der EU zugelassen. Laut DGIF und TD sind die Zulassungen begleitet worden von einer Kampagne über drohende weltweite Influenza-Pandemien, die maßgeblich durch die European Scientific Working Group on Influenza (ESWI) gelenkt wurden. Die Expertengruppe sei unter anderem von Roche und GSK finanziert und habe nationale und internationale Gesundheitsbehörden, insbesondere die WHO, beeinflusst, so die Kritik.
Auch dem für die Pandemieausrufung 2009 verantwortlichen Gremium der WHO – dem Emergency Comittee – gehörten den beiden Organisationen zufolge ESWI-Experten an. Bis 2010 seien deren Namen geheim gehalten worden.