Ozempic: Verhütungspille kann unwirksam werden Sandra Piontek, 12.12.2024 13:51 Uhr
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) macht auf mögliche Nebenwirkungen und Risiken der Behandlung mit GLP-1-Analoga wie Semaglutid (Ozempic) aufmerksam. Die Wirkstoffe können zu einer Erhöhung der Fruchtbarkeit und damit zu ungeplanten Schwangerschaften führen.
In einer aktuellen Stellungnahme erklärt die DDG: „Es ist anzunehmen, dass die Anzahl von Frauen mit ungeplanten oder geplanten Schwangerschaften, die mit dieser Wirkstoffgruppe behandelt wird, zunimmt.“ Denn: „Glucagon-like Peptide-1-Analoga und das Glukoseabhängige insulinotrope Peptid (GIP) gehören zu den Inkretinmimetika und zu einer Klasse von neueren Antidiabetika, die zunehmend nicht nur zur Behandlung von Typ-2-Diabetes, sondern auch zur Gewichtsreduktion bei Adipositas eingesetzt werden.“
Das treffe auch auf junge adipöse Frauen im Reproduktionsalter zu. „Durch die Gewichtsreduktion mit konsekutiver Verringerung der Insulinresistenz kann es zur ungeplanten Konzeption kommen, da sich die Fertilität verbessert. Bereits 5 bis 10 Prozent Gewichtsabnahme kann zu einer Normalisierung der Ovulation führen.“ Eine rapide Verbesserung der Amenorrhoe werde bei einigen Frauen mit Adipositas auch nach bariatrischen Operationen beobachtet, heißt es laut DDG.
Komplikationen bei adipösen Schwangeren
Ein weiterer Diskussionsfokus liege auf den Nebenwirkungen von semaglutidhaltigen Arzneimitteln. Denn Erbrechen, Durchfall und verzögerte Magenentleerung könne die Wirkung der Pille abschwächen. „Eine weitere Problematik ist der Rebound-Effekt nach Absetzen der GLP1-Agonisten. Es kann zur übermäßiger Gewichtszunahme in der Schwangerschaft kommen, was insbesondere bei adipösen Schwangeren die Komplikationsrate deutlich erhöht“, so die DDG. „Berichtet wurde auch, dass einzelne Frauen nach Eintritt der Schwangerschaft wegen dieses Effektes Ozempic nicht absetzen wollten.“
GLP-1-Agonisten gezielt bei Unfruchtbarkeit
Mittlerweile werden GLP-1-Agonisten auch gezielt bei Unfruchtbarkeit eingesetzt. Denn: „Übergewicht, Adipositas und Insulinresistenz spielen eine wichtige Rolle im Pathogenesezyklus des polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS)“, so die DDG. „Bei Frauen mit PCOS wird in klinischen Studien bereits seit Jahren der Effekt von GLP-1-Agonisten untersucht.“
Kindliches Wachstum beeinflusst
Es dränge sich vor diesem Hintergrund die Frage auf: „Wie wirkt sich die Einnahme von GLP1-Analoga bei Konzeption aus? Sollten diese nicht nur Frauen mit sicherer Kontrazeption verordnet werden?“, so die DDG. In USA steige die Zahl der Schwangerschaften mit perikonzeptioneller Einnahme bereits. „Es gibt keine kontrollierten Studien, die die Anwendung von GLP-1-Analoga in der Schwangerschaft beim Menschen untersucht haben.“ Aus den Studien wurden Schwangere mit Kinderwunsch ausgeschlossen beziehungsweise die Therapie bei Konzeption abgebrochen. In Tierstudien seien GLP-1-Agonisten in die Muttermilch übergegangen und beeinflussten das kindliche Wachstum. Humane Daten stehen nicht zur Verfügung.
„Bis jetzt gab es nur wenige Beobachtungen aus Schwangerschaften. 2024 wurden gleich zwei Studien veröffentlicht, was auch die steigenden Fallzahlen und die zunehmende Bedeutung der Problematik verdeutlicht“, so die DDG. Beide Studien würden darauf hinweisen, dass GLP-1-Analoga in vivo per se nicht terotogen seien. „Jedoch weisen beide methodische Probleme auf“, so die DDG.
Semaglutid vorher absetzen
Fazit: „Frauen sollten bei Anwendung von GLP-1-Analoga über den Einfluss auf die Fertilität informiert und eine sichere Kontrazeption empfohlen werden“, da die Wirkung oraler Kontrazeptiva eingeschränkt sein könnte. Nach den vorliegenden Studien scheint die Einnahme von GLP-1-Analoga nicht mit einem höheren Risiko für kongenitale Fehlbildungen assoziiert zu sein. Aber da die Datenlage begrenzt sei, wird laut DDG angeraten, bei Kinderwunsch zwei Monate vor dem Versuch, schwanger zu werden, die Mittel abzusetzen. „Bei Depot-Exenatid wegen der langen Washout-Phase drei Monate vorher“, rät die DDG.
„Als problematisch kann sich im Falle vom Einsatz im Rahmen der Reproduktionsmedizin zudem der Rebound-Effekt nach Absetzen erweisen“, erklärt die DDG. Deswegen wurde der Hersteller Novo Nordisk von der US-Arzneimittelbehörde FDA aufgefordert, ein Register einzuführen über Schwangerschaften unter Ozempic und eine Schwangerschaftsstudie durchzuführen.