Rote-Hand-Brief

Oxbryta: EU-weiter Rückruf Katharina Brand, 07.10.2024 15:17 Uhr

Die Genehmigung für Oxbryta in der EU ist bis zur abgeschlossenen Nutzen-Risiko-Überprüfung vorübergehend ausgesetzt. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Pfizer informiert in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) via Rote-Hand-Brief über den Rückruf von Oxbryta (Voxelotor). Die Genehmigung für das Inverkehrbringen des Präparats in der EU ist vorübergehend so lange ausgesetzt, bis die Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses abgeschlossen ist. Alle Chargen in der EU werden zurückgerufen.

Pfizer hatte bereits Ende September mitgeteilt, dass es das Sichelzellmedikament weltweit vom Markt nehmen werde. Diese Entscheidung wurde in Zusammenarbeit mit der EMA und dem BfArM nun auch für die EU konkretisiert. Daher ist die Genehmigung für Oxbryta in der EU so lange ausgesetzt, bis die Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses abgeschlossen ist. In der EU werden alle Chargen zurückgerufen, und die Nutzung in klinischen Studien sowie in Programmen für den erweiterten Zugang wird gestoppt.

Hintergrund

Oxbryta ist in der EU zur Behandlung der hämolytischen Anämie aufgrund von Sichelzellanämie (SCD) bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren zugelassen, sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Hydroxycarbamid. Im Juli 2024 leitete die EMA eine umfassende Überprüfung von Oxbryta ein, nachdem Daten aus klinischen Studien eine erhöhte Anzahl von Todesfällen unter Einnahme im Vergleich zu Placebo und eine unerwartet hohe Gesamtzahl von Todesfällen in einer anderen Studie zeigten. Zudem ergaben neue registerbasierte Studien in den USA eine Zunahme von vaso-okklusiven Krisen bei behandelten Patientinnen und Patienten.

Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse wurde die Genehmigung für Oxbryta in der EU vorübergehend ausgesetzt, bis die Daten gründlich ausgewertet sind. Das Medikament wird vorübergehend vom Markt genommen, und alle laufenden klinischen Studien sowie Programme zum erweiterten Zugang werden eingestellt. Ärzt:innen sollen das Sichelzellmedikament nicht mehr verschreiben und mit aktuellen Patienten Kontakt aufnehmen, um die Behandlung abzubrechen und alternative Optionen zu besprechen. Nach dem Absetzen von Oxbryta wird geraten, Patienten weiterhin auf unerwünschte Ereignisse zu überwachen. Medizinisches Fachpersonal sollte Patienten, die Fragen haben, an ihre behandelnden Ärzt:innen verweisen. Weitere Empfehlungen werden nach Abschluss der Überprüfung erwartet.

Wirkstoff

Voxelotor ist ein spezifischer Polymerisationsinhibitor des Hämoglobin S und wird zur Behandlung der Sichelzellanämie eingesetzt, einer genetisch bedingten Erkrankung, die auf einen Gendefekt zurückzuführen ist und zur Verformung der roten Blutkörperchen führt. Bis zur Markteinführung von Oxbryta war die Erkrankung hauptsächlich auf Stammzelltransplantationen beschränkt.

Der Wirkmechanismus von Voxelotor beruht auf der Verbesserung der Sauerstoffbindungskapazität des Hämoglobins, während gleichzeitig die Bildung stabiler Ketten deformierter Hämoglobinmoleküle, die als „Versichelung“ bekannt sind, verhindert wird. Oxbryta stellt das erste orale Medikament dar, das in Europa zugelassen ist und direkt die Polymerisation des Hämoglobins bei Sichelzellanämie hemmt. Durch die Erhaltung der flexiblen Form der roten Blutkörperchen wird die Sauerstoffversorgung des Gewebes optimiert und das Risiko für thrombotische Ereignisse reduziert.

Häufige Nebenwirkungen der Behandlung mit Oxbryta sind Kopfschmerzen, Durchfall und Bauchschmerzen. Zudem können Wechselwirkungen mit CYP3A4-Induktoren auftreten, zu denen unter anderem Carbamazepin, Modafinil, Phenobarbital und Johanniskraut zählen. Die sorgfältige Überwachung der Patienten ist notwendig, um die Wirksamkeit der Therapie zu gewährleisten und potenzielle Risiken zu minimieren.