OTC-Switch

Keine VIP-Lounge in der Sichtwahl

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Berlin -

Für ein Arzneimittel ist Exklusivität das A und O: Generikahersteller ringen aus diesem Grund um jeden kleinen Vorsprung, etwa über Vereinbarungen mit dem Originalanbieter. Auch im OTC-Bereich gilt: Wer als Erster in der Sichtwahl steht, hat die Nase vorn. Seit einigen Jahren können sich Hersteller bei einem OTC-Switch für ein Jahr Exklusivität sichern. Doch diese Möglichkeit wird kaum genutzt.

Ein OTC-Switch ist ein vergleichsweise seltenes Ereignis und entsprechend wichtig für die Branche. Seit 1983 hat es 70 größere Switches gegeben, prominente Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind Omeprazol, Orlistat und die Triptane. Im Fall von Pantoprazol konnte sich Nycomed dank EU-Zulassung sogar einen Vorsprung vor der Konkurrenz verschaffen.

In der Regel beginnt nach dem Votum des Sachverständigenausschusses und der Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung durch das Bundesgesundheitsministerium aber sofort der Kampf um die Sichtwahl. Denn hat sich ein Hersteller die Mühe gemacht, die Unterlagen für den Antrag zusammenzutragen, können die anderen Unternehmen sofort aufspringen.

Dabei gibt es für die Hersteller eine Möglichkeit, sich nach einem Switch Exklusivität zu verschaffen: Seit 2005 gilt eine EU-Richtlinie, die Herstellern ein Jahr lang Konkurrenzschutz einräumt, sofern diese mit ihrem Antrag klinische oder präklinische Daten zum Switch vorlegen.

Eine aktuelle Doktorarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass es für die Industrie praktisch unmöglich ist, diese Regelung zu nutzen. Denn die Daten müssen laut EU-Richtlinie „signifikant“, also für den Switch relevant und notwendig sein. Präparate, die kurz vor der Entlassung aus der Verschreibungspflicht stehen, sind aber meist schon lange auf dem Markt. Dass sie sicher und wirksam sind, muss bereits in den Zulassungsstudien nachgewiesen werden. Welche Daten sollten die Hersteller also noch liefern?

So ist es nicht verwunderlich, dass sich bislang in ganz Europa nur ein Hersteller einen Vorsprung durch Daten sichern konnte: Boehringer Ingelheim hatte in Großbritannien für sein Prostatamittel Flomax Relief MR (Tamsulosin) Schulungen für Pharmazeuten und unterstützendes Material für die Beratung in Apotheken entwickelt. Mit einer begleitenden Studie wies der Konzern sogar nach, dass durch die besondere Beratung in der Apotheke die Leitlinien eingehalten würden. Genutzt hat es am Ende nichts: Wegen der zahlreichen Auflagen ist das Präparat ein Flop.

Für ihre Arbeit hat Dr. Carolin Stäbler, die in der wissenschaftlichen Abteilung des Pharmakonzerns Bayer tätig ist, Literatur zum Thema OTC-Switch ausgewertet. Am Beispiel von Canesten Gyn erklärt sie, warum ihr Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Freigabe im Jahr 1993 die notwendigen signifikanten Daten gar nicht hätte vorgelegen können.

Außerdem hat Stäbler Experten zu dem Thema befragt: Apotheker und Ärzte sowie Industrie-, Behörden-, Kassen- und Patientenvertreter. So kommt sie zu dem Ergebnis, dass die bestehende Regelung überarbeitet werden muss: Vor allem müssten Erkenntnisse aus epidemiologischen oder Marktforschungsuntersuchungen sowie Umfrage-Ergebnisse anerkannt werden – die für eine Entscheidung über einen OTC-Switch ohnehin viel aussagekräftiger seien.

Außerdem sollte die Datenexklusivität auf mindestens drei Jahre verlängert werden, so Stäbler. Dies sei ein Anreiz für die Hersteller und gewährleiste, dass sich das Präparat sicher und erfolgreich im Bereich der Selbstmedikation etabliere.

Betreut wurde die Promotion vom ehemaligen Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, Professor Dr. Hartmut Morck, der Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung bei Bayer, Dr. Marianne Petersen-Braun, und Professor Dr. Christoph Friedrich vom Institut für Geschichte der Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg.

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