Angriff auf Anti-Brumm Patrick Hollstein, 16.06.2015 13:01 Uhr
Unter den OTC-Herstellern herrscht Verdrängungswettbewerb. Wo der Markt sich ein wenig bewegt, sind schnell mehrere Konkurrenten zur Stelle. Beispiel Mückenschutz: Hermes Arzneimittel hat mit Anti-Brumm in den vergangenen Jahren ein gutes Geschäft gemacht und dem Platzhirsch Autan (SC Johnson) den Rang abgelaufen. In dieser Saison wollen sich gleich drei Anbieter ein Stück vom Kuchen abschneiden.
Etwas mehr als zwei Millionen Packungen im Wert von 15 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP) wurden laut IMS Health im vergangenen Jahr an Repellentien in den Apotheken verkauft. Experten schätzen, dass in Drogerien, Baumärkten und bei anderen Einzelhändlern mindestens noch einmal das Doppelte umgesetzt wird.
Nummer 1 in der Offizin ist Anti-Brumm. Mit einer Million Packungen und acht Millionen Euro kommt das Produkt, das in den 1970er Jahren von einem Drogisten aus der Schweiz erfunden wurde und der schweizerischen Galenica-Tochter Vifor gehört, auf einen Marktanteil von 50 Prozent. Anti-Brumm gibt es je nach Variante sowohl mit dem Wirkstoff Diethyltoluamid (DEET) als auch mit dem Naturstoffgemisch Para-Menthan-3,8-Diol (PMD), das aus dem ätherischen Öl der Hochblätter von Eucalyptus citriodora gewonnen wird. Ganz neu ist die Variante „Classic“ mit Icaridin, auch Saltidin genannt.
Hermes hatte 2011 die Vertriebsrechte von Togal übernommen und den Abverkauf vorangetrieben. Als zwei Jahre später Hochwasser und warme Temperaturen in vielen Regionen Deutschlands zu einer Mückenplage führten, reagierten die Münchener umgehend und fuhren die Produktion hoch. Autan war von der Spitze verdrängt.
Seitdem hat Autan in den Apotheken weiter an Bedeutung verloren: Im vergangenen Jahr wurden knapp 550.000 Packungen im Wert von 3,8 Millionen Euro verkauft, das ist ein Drittel weniger als 2013. Der Marktanteil liegt nur noch bei einem Viertel; anders als Anti-Brumm ist Autan allerdings nicht apothekenexklusiv. Das Geschäft im Mass Market dürfte deutlich größer sein.
Bayer hatte den 1958 eingeführten Klassiker 2001 an den US-Konsumgüterhersteller SC Johnson (00, Brise, Drano, Pronto, Stahlfix, WC-Ente) verkauft; für den Vertrieb in den Apotheken ist seit 2010 Klosterfrau zuständig. Seit 1998 enthält Autan den Wirkstoff Icaridin anstelle von DEET; nur im Tropical-Spray ist der alte Wirkstoff noch enthalten.
Dass es ihm mit einem guten Abverkaufskonzept gelungen ist, den einstigen Marktführer aus den Regalen zu verdrängen, hat Hermes-Geschäftsführer Jörg Wieczorek Respekt eingebracht – und die Konkurrenz auf den Plan gerufen.
Prominentester Newcomer ist Medice mit Soventol. Als Konkurrenzprodukt zu Fenistil von Novartis wird der in den 1960er Jahren eingeführte Klassiker mit dem Antihistaminikum Bamipin nicht nur bei Sonnenbrand eingesetzt, sondern bei Mückenstichen und Zeckenbissen. Mit „Soventol protect“ hat Medice unter der bekannten Marke in diesem Jahr ein Mittel auf den Markt gebracht, das die Plagegeister fernhalten soll.
Da das Präparat PMD enthält, kann es bereits bei Kindern ab einem Jahr eingesetzt werden. Es gibt zwei Wirkstärken; der Hersteller wirbt mit einer speziellen Release-Matrix zur kontrollierten Wirkstoffabgabe und damit, dass das Sprühsystem auch über Kopf eingesetzt werden.
Ein weiteres bekanntes Produkt zur Behandlung von Insektenstichen ist Azaron von Omega. Dem Stift mit dem Wirkstoff Tripelennamin war bereits 2008 ein Abwehrmittel mit dem Namen „Azaron before“ zur Seite gestellt worden; später wurde die Produktreihe (DEET, Citriodiol, Icaridin oder IR3535) in Parazeet umbenannt. 2012 wurde der Vertrieb allerdings komplett eingestellt: Omega hatte in Deutschland einfach zu viele kleine Marke im Sortiment.
In Belgien, Spanien und Italien war der Hersteller, der heute zu Perrigo gehört, mit „Jungle formula“ dagegen sehr erfolgreich, daher wird die Marke mit dem Zusatz „powered by Azaron“ jetzt auch in Deutschland eingeführt. Es gibt verschiedene Varianten: mit IR3535, PMD, Icaridin und DEET. Für Kinder ist ein Armband mit Geraniol erhältlich, das keinen direkten Kontakt zur Haut hat und bis zu 30 Tage verwendet werden kann. Um den vergleichsweise späten Start aufzuholen, hat sich Omega für die Vermarktung den sogenannten „Insect Repellent Factor“ (IRF) schützen lassen, der ähnlich wie der Lichtschutzfaktor bei Sonnencremes Orientierungshilfe geben soll.
Komplett neu in dem Segment ist Hennig Arzneimittel mit Viticks. Das Produkt stammt – wie schon das Läusemittel Licener – von Alphabiocare, einem Unternehmen des Düsseldorfer Parasitologen Professor Dr. Heinz Mehlhorn. Inhaltsstoff ist Icaridin, entscheidend für die Wirkung soll aber auch der Duft aus den Samen von Mönchspfeffer sein.
Mit einem empfohlenen Verkaufspreis von 8,45 Euro liegt Viticks zwischen Autan und der apothekenexklusiven Konkurrenz. Für den professionellen Einsatz in Forst- und Landwirtschaft ist das Produkt auch in Großpackungen mit 500 und 1000 ml erhältlich.
Weitere Anbieter mit nennenswertem Marktanteil sind Wepa mit Mosquito (300.000 Packungen, 1,3 Millionen Euro), Tropical Concept mit Nobite (160.000 Packungen, 900.000 Euro), Hager Pharma mit Stichfrei (46.000 Packungen, 150.000 Euro) und Doublehill mit Doctan (24.000 Packungen, 140.000 Euro). Den Rest teilen sich drei Dutzend weitere Anbieter.