OTC-Ausnahmeliste

Infectodiarrstop wieder erstattungsfähig

, Uhr aktualisiert am 25.08.2015 19:03 Uhr
Berlin -

Zur Behandlung von Durchfall bei Kindern können Ärzte künftig auch Infectodiarrstop LGG auf Kassenrezept verordnen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat einem Antrag des Herstellers Infectopharm zur Aufnahme in die OTC-Ausnahmeliste zugestimmt. Damit wird erstmals seit dem Ausschluss aus dem Leistungskatalog ein Präparat mit gefriergetrockneten Milchsäurebakterien erstattungsfähig.

Antidiarrhoika wurden 2008 von der Verordnung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vollständig ausgeschlossen. Grund waren Wirtschaftlichkeitserwägungen: Akute Durchfallerkrankungen seien in der Regel selbstlimitierend und durch diätetische Maßnahmen behandelbar, so der G-BA. Bei Erwachsenen sei Flüssigkeitsaufnahme ausreichend und zweckmäßig, bei Kindern sei die orale Rehydratationstherapie Standard.

Ausgenommen waren von Anfang an Präparate mit Saccharomyces boulardii bei Kleinkindern, Elektrolytpräparate zur Rehydratation bei Kleinkindern und Kindern sowie Motilitätshemmer bei Kolektomie in der postoperativen Phase. 2010 wurden zusätzlich Produkte mit Escherichia coli Stamm Nissle 1917 aufgenommen, die mindestens 108 vermehrungsfähige Zellen/Dosiseinheit enthalten und die bei Säuglingen und Kleinkindern zusätzlich zu Rehydratationsmaßnahmen eingesetzt werden.

Infectodiarrstop enthält gefriergetrocknete Milchsäurebakterien und war damit bislang von der Erstattung ausgeschlossen. Ein Antrag auf Übernahme der Kosten bei Patienten bis zwölf Jahren wurde abgewiesen; um doch noch auf die Ausnahmeliste zu kommen, führte Infectopharm entsprechend den Wünschen des G-BA eine Studie durch.

Der Hersteller konnte nachweisen, dass Lactobacillus rhamnosus GG die Dauer der Diarrhoe signifikant um 1,22 Tage verkürzen kann. Zwischen Januar und November 2013 erhielten 150 Kleinkinder entweder zweimal täglich Infectodiarrstop oder Placebo. Nach zwei und fünf Tagen gab es Kontrolluntersuchungen; nach zehn Tagen wurde die Therapie mit einem erneuten Arzttermin beendet.

Der G-BA sprach sich auf Grundlage der Daten bereits Mitte Juni für die Aufnahme in die Ausnahmeliste aus; da das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Beschluss nicht beanstandet hat, kann dieser nun nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten.

Nicht betroffen sind andere Präparate mit Lactobacillen. Lacteol (Pohl-Boskamp) enthält ein Gemisch aus L. fermentum und L. delbrueckii; der Zulassungsinhaber Aptalis, der mittlerweile zu Actavis gehört, scheiterte mit einer Klage gegen den G-BA. Recordati hat Hylak N (L. helveticus) und Hylak plus (L. helveticus und L. acidophilus) auf dem Markt, Ardeypharm vertreibt Paidoflor (L. acidophilus). Daneben hat Pierre Fabre mit Gynoflor eine Vaginaltablette mit L. acidophilus im Sortiment.

Aus Sicht der Hersteller ist der Eintrag in der Ausnahmeliste nicht nur für das Image bei den Ärzten wichtig, sondern auch ein wirtschaftlicher Faktor. Perenterol (Medice) wurde laut Arzneiverordnungsreport 2013 rund 391.000 Mal auf Kassenrezept verordnet; der Umsatz auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) lag bei 2,3 Millionen Euro. Damit liegt das Saccharomyces-Präparat noch vor dem Elektrolytpräparat Oralpädon (Stada), das auf 300.000 Verordnungen und 1,3 Millionen Euro kommt.

Die ebenfalls Saccharomyces-haltigen Konkurrenzprodukte Perocur (Hexal) und Yomogi (Ardeypharm) standen 37.000 bezeihungsweise 26.000 Mal auf Kassenrezept; hier lagen die Erlöse bei 200.000 beziehungsweise 124.000 Euro. Bei Mutaflor (E. coli) wurden die Kapseln 31.000 Mal auf Rezept verordnet, die Suspension sogar 55.000 Mal. Insgesamt erlöste der Herstelller Ardeypharm 3,6 Millionen Euro auf AVP-Basis.

Infectopharm wurde 1988 vom Ehepaar Monika und Dr. Manfred Zöller gegründet und ist hauptsächlich im Bereich Kindergesundheit tätig. Insgesamt bietet der Hersteller rund 70 verschiedene Produkte an. 80 Prozent des Umsatzes wird mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erzielt. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Firma mit Sitz in Heppenheim Erlöse von knapp 80 Millionen Euro.

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