Schmerz lässt nach, Umsatz steigt Patrick Hollstein, 11.07.2016 15:09 Uhr
574 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr nach IMS Health mit OTC-Analgetika erzielt. Das entspricht einem Zuwachs von 3,9 Prozent. 107,5 Millionen Packungen wurden verkauft, 1,6 Prozent mehr als 2014. Damit ist der Markt nach Absatz zum ersten Mal seit Jahren wieder gewachsen – und zwar in der Offizin und nicht im Versandhandel.
10,9 Millionen Packungen entfallen laut IMS auf den Versandhandel, das entspricht 10 Prozent. Im vergangenen Jahr mussten die Versender nach Absatz 0,4 Prozent abgeben, während die Apotheken um 1,8 Prozent leicht zulegten. Nach Umsatz haben die Versender 13,5 Prozent vom Kuchen (77 Millionen Euro), der Zuwachs lag mit 4,8 Prozent über dem in der Offizin (plus 3,7 Prozent).
Seit 2010 hat sich der Markt ambivalent entwickelt: Die Absatz sank um 5 Prozent, die Erlöse legten aber um 11 Prozent zu. Grund sind Preissteigerungen: Der durchschnittliche Packungspreis stieg um 16 Prozent von 4,59 auf 5,34 Euro.
Der Trend geht nach wie vor zu Monopräparaten: Laut IMS entfielen 2015 nach Zähleinheiten 17,8 Prozent auf Kombinationen, 2013 waren es noch 20,4 Prozent.
Die wichtigsten Wirkstoffe im Überblick:
Ibuprofen: Der Siegeszug von Ibuprofen ist ungebrochen. Mit 49 Millionen Packungen und 292 Millionen Euro Umsatz auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP) kommt der 1969 erstmals eingeführte Wirkstoff mittlerweile auf einen Marktanteil von 51 beziehungsweise 46 Prozent. Zum Vergleich: 2010 hatte der Anteil noch bei 37 beziehungsweise 31 Prozent gelegen. Der durchschnittliche Packungspreis ist dabei nur um 8 Prozent von 5,51 auf 5,96 Euro gestiegen.
Paracetamol: Trotz immer wieder aufkeimender Kritik hält sich Paracetamol als Nummer 2 unter den OTC-Analgetika mit einem Marktanteil von 26 Prozent. Zwar ist die Zahl der abgegeben Packungen von 33 Millionen Stück im Jahr 2010 auf 28 Millionen gesunken, das ist absolut gesehen der größte Verlust an Packungen. Angesichts der großen Menge liegt das Minus mit 16 Prozent aber unter dem anderer Wirkstoffe und Kombinationen.
Nach Umsatz fällt der Rückgang mit 5 Prozent auf 61 Millionen Euro deutlich weniger dramatisch aus. Weil ASS und Kombinationen stärker verloren, konnte Paracetamol trotz des niedrigen Preises auch hier Rang 2 erobern. 2010 lag der Wirkstoff noch auf Position 5, vor drei Jahren gleichauf mit der Konkurrenz. Grund ist der um ein Viertel gestiegene Preis: Statt 1,72 Euro kostet die Packung heute im Durchschnitt 2,16 Euro.
ASS/Paracetamol/Coffein: Thomapyrin ist das nach Paracetamol Ratiopharm am häufigsten abgegebene Schmerzmittel überhaupt. Doch der Klassiker ist anscheinend in die Jahre gekommen. Die Kombination, die auch in Neuralgin, Neuranidal und Titralgan enthalten ist, hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung verloren: Mit 60 Millionen Euro und 10,5 Millionen Packungen kommt sie heute auf einen Anteil von 10 Prozent – vor fünf Jahren lag der Anteil noch bei 15 Prozent.
Immerhin: Nach massiver TV-Werbung und der zweiten Preissteigerung in Folge konnte zuletzt zumindest der Umsatz auf Vorjahresniveau stabilisiert werden. Insgesamt hat sich der Durchschnittspreis in den fünf Jahren nur um 11 Prozent auf 5,67 Euro entwickelt.
Acetylsalicylsäure (ASS): Die Marke Aspirin kennt jeder, doch jahrzehntelang hatte Bayer beim Klassiker nichts Neues zu erzählen und musste zusehen, wie andere Substanzen dem Klassiker den Rang abliefen. Im Sommer 2014 brachte der Konzern die neue Variante in die Apotheken, gerade erst wurde die alte Variante nach dem erfolgreichen Abverkauf der Restbestände außer Vertrieb genommen.
Der Switch war erfolgreich: Nachdem die Zahl der abgegebenen Packungen mit dem Wirkstoff von 2010 bis 2013 um fast ein Drittel auf 7,6 Millionen eingebrochen war, wurden 2014 knapp 7,8 Millionen Einheiten verkauft. Der Umsatz legte im Jahresvergleich sogar von 49 auf 52 Millionen Euro zu – die Neuen kosteten gleich mehr.
Der Marktanteil liegt damit bei 8,7 Prozent nach Umsatz (2010: 11,3 Prozent) und 6,8 Prozent nach Absatz (9,9 Prozent). Ob die Neueinführung auf Dauer mehr war als ein Punktgewinn im Abstiegskampf, wird sich zeigen. Im vergangenen Jahr sackten Umsatz und Absatz schon wieder ab.
Verglichen mit 2010 legte ASS mit einem Plus von 30 Prozent die größten Preissteigerung unter allen Wirkstoffen hin: Statt 5,23 Euro kostet die Packung im Durchschnitt 6,82 Euro. So konnte auch der dramatische Verfall beim Absatz aufgefangen werden: Mit 7,3 Millionen Packungen wurden 2015 knapp 35 Prozent weniger Packungen verkauft als 2010. Ein Negativrekord, der sich beim Umsatz mit 15 Prozent Verlust nicht im selben Umfang widerspiegelt.
ASS/Ascorbinsäure: Die Einführung von Aspirin 2.0 ging zunächst auch zu Lasten der Brausetabletten, die alleine 2014 um 7 Prozent an Umsatz und Absatz verloren. Doch Bayer zog auch hier schnell die tiefgrüne Packung nach, sodass hier 2015 die Abverkäufe mit 6 Millionen Packungen und 55 Millionen Euro stabilisiert werden konnten. Dies entspricht einem Marktanteil von 5,5 beziehungsweise 9,6 Prozent.
Im gesamten Zeitverlauf über fünf Jahre ist auch hier ein Verlust von 34 Prozent nach Packungen und 21 Prozent nach Umsatz zu beklagen – trotz Preissteigerung von 20 Prozent auf durchschnittlich 9,31 Euro.
Diclofenac: Nicht nur als Schmerzsalbe war Voltaren in den vergangenen Jahren erfolgreich, sondern auch als Tablette respektive Weichkapsel. Von 2010 bis 2013 legten die Abverkäufe um ein Fünftel auf 39,5 Millionen Euro beziehungsweise 4,4 Millionen Packungen zu. Doch dann endete die Erfolgssträhne; im vergangenen Jahr kam der Wirkstoff auf 3,8 Millionen Packungen und 38 Millionen Euro, das entspricht einem Marktanteil von 3,5 beziehungsweise 6,6 Prozent . Die Preise stiegen in den vergangenen fünf Jahren vergleichsweise moderat um 13 Prozent auf 9,88 Euro im Durchschnitt.
Sonstige: Alle anderen Wirkstoffe spielen mit 6,8 Millionen Packungen und 19 Millionen Euro Umsatz eine untergeordnete Rolle. Der Marktanteil ist von 4,8 beziehungsweise 6 Prozent im Jahr 2010 auf 2,6 beziehungsweise 3,3 Prozent zusammengeschrumpft.