Eine Studie der Universität Duisburg-Essen, der DAK-Gesundheit und des Berufsverbands der Schmerz- und Palliativmedizin untersucht die Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen unter Opioid-Langzeittherapie. Die Ergebnisse zeigen deutliche Defizite und liefern Ansätze für gesundheitspolitische Maßnahmen.
Deutschland zählt weltweit zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch opioidhaltiger Analgetika, die insbesondere bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen in Langzeittherapien eingesetzt werden. Solche Therapien, die länger als drei Monate dauern, bergen erhebliche Risiken, darunter starke Nebenwirkungen und die Entwicklung einer Abhängigkeit.
Vor diesem Hintergrund analysierten die Forschenden die Versorgungslage von Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen, die sich in einer Langzeittherapie mit opioidhaltigen Analgetika (OA) befinden. Dabei wurde ein Mixed-Methods-Ansatz verwendet, der sowohl epidemiologische Daten von Versicherten der DAK-Gesundheit als auch Befragungen von Betroffenen und Ärztinnen und Ärzten einbezog. Dieser beinhaltete als Versorgungsepidemiologie eine Auswertung der Daten von Versicherten der DAKGesundheit mit CNTS, die sich in einer OA-Langzeittherapie befinden. Zudem wurde als Versorgungsanalyse eine Querschnittsbefragung einer Zufallsstichprobe von Versicherten mit Rücken- und/oder Arthroseschmerzen, die sich in einer OA-Langzeittherapie befanden, durchgeführt. Ergänzend fand eine Befragung von Leistungserbringenden zur Einschätzung der Versorgungssituation statt.
Die Ergebnisse zeigen, dass etwa die Hälfte der über 113.000 analysierten Patientinnen und Patienten auch im Vorjahr opioidhaltige Analgetika erhalten hatten. Nur 10 Prozent der Personen konnte ihre Therapie im Studienzeitraum beenden. Rund 10,5 Prozent überschritten dabei die von Leitlinien empfohlene maximale Tagesdosis. Als Risikofaktoren für die Überschreitung darüber hinaus der vorwiegende Einsatz starker Opioide sowie eine bereits ein Jahr vor Studienbeginn bestehende Opioid-Einnahme identifiziert. Innerhalb der Patientengruppe, die die empfohlene Dosis nicht überschritten hatte, beendeten 28,1 Prozent die Therapie, während in der Gruppe mit überschrittener Dosis nur 9,9 Prozent die Behandlung abbrachen.
Ein weiteres zentrales Problem war die Verschreibung von Opioiden durch mehrere Behandelnde: Etwa ein Drittel der Versicherten erhielt innerhalb von zwei Jahren Opioide von mindestens drei verschiedenen Ärztinnen und Ärzten. Sowohl die Mediziner:innen als auch die Betroffenen empfanden die Koordination zwischen den unterschiedlichen Behandelnden als schwierig. Zudem zeigte die Analyse, dass knapp drei Prozent der Versicherten eine Diagnose für einen schädlichen Gebrauch opioidhaltiger Analgetika hatten. Männer, jüngere Menschen und Patienten mit psychischen Vorerkrankungen waren hierbei überdurchschnittlich häufig betroffen.
Die Studie offenbarte auch erhebliche Defizite in der multimodalen Versorgung. Nur ein Fünftel der Versicherten erhielt begleitend zu ihrer medikamentösen Therapie Maßnahmen wie Krankengymnastik oder Psychotherapie. Diese nicht-medikamentösen Ansätze sind jedoch essenziell, um die langfristige Abhängigkeit von Opioiden zu reduzieren und eine umfassende Schmerzbehandlung sicherzustellen. Gleichzeitig wies die ambulante Versorgung chronischer Schmerzpatienten allgemein Verbesserungspotenzial auf: Lediglich ein Drittel der Versicherten gab an, dass gemeinsam mit ihnen ein umfassendes Behandlungskonzept erarbeitet wurde.
Die Ergebnisse deuten laut der Wissenschaftler:innen darauf hin, dass ein mäßiger Anteil der Patienten die von den Leitlinien empfohlene Dosis überschritt. Bestimmte Patientengruppen erhielten jedoch häufiger hohe Dosen. Dies galt insbesondere für diejenigen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits in Behandlung waren und bis zum Ende des Beobachtungszeitraums weiterhin Opioide erhielten. Weitere Forschungen sollte untersuchen, ob die kontinuierliche Opioidtherapie bei den Patienten mit Überschreitung der von den Leitlinien empfohlenen Dosis mit bestimmten Indikationen, einem Mangel an Therapieoptionen oder der Vermeidung eines Entzugs zusammenhängen könnte.
Die Studie trägt den Titel „Opioidhaltige Analgetika – Untersuchung zu Entwicklungstrends in der Versorgung bei nicht-tumorbedingten Schmerzen (Op-US)“ und wurde mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert.
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