Wirkstoffe aus der Gruppe der Opioide werden immer häufiger auch bei nicht-tumorbedingten Schmerzen eingesetzt. Neben einem Einsatz bei postoperativen Schmerzen werden Tramadol & Co. auch bei traumatischer Trigeminusneuropathie und Endometriose eingesetzt. Fachgesellschaften haben deshalb die S3-Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden überarbeitet und neue Indikationen mit aufgenommen.
Opioide gehören zu den starken Schmerzmitteln, wirken zentral und wurden jahrelang fast ausschließlich bei Tumorschmerzen eingesetzt. Das hat sich geändert: Immer mehr Ärzte verschreiben Wirkstoffe wie Tramadol, Oxycodon und Fentanyl auch bei anderen Indikationen. Mittlerweile ist der Anteil der Opiod-Verordnungen für Nicht-Tumorschmerzen höher als der Anteil, der innerhalb einer Krebstherapie verordnet wird – er liegt bei rund 70 Prozent, so die Deutschen Schmerzgesellschaft. Von diesem Anteil erhalten 1 Prozent der Patienten die Medikamente langfristig. Als langfristig ist eine mindestens dreimalige Verordnung eines Opiodes innerhalb eines Jahres zu verstehen.
Da sich das Verschreibungsverhalten der Ärzte nicht mehr mit dem Inhalt der Leitlinie deckt, wurde diese überarbeitet und insbesondere in den Indikationen angepasst. So wurden beispielsweise zwei Indikationen neu aufgenommen: Restless-Leg-Syndrom und Parkinson-Syndrom. Hierunter sind mehrere Formen zusammengefasst, darunter auch Morbus Parkinson, auch idiopathisches Parkinson-Syndrom genannt. Sekundäre Parkinson-Syndrome können auch tumorbedingt entstehen. Ebenfalls neu mit aufgenommen wurde eine Empfehlung zum Stellenwert einer intrathekalen Opioidtherapie mit Praxiswerkzeug.
Zu den neuen konsensbasierten Indikationen gehören die traumatische Trigeminusneuropathie und chronische Unterbauchschmerzen bei der Frau, sofern ausgeprägte Verwachsungen oder eine multilokuläre Endometriose vorliegen. Die Erkrankung ist relativ häufig, Schätzungen zufolge leiden 6 bis 10 Prozent der gebärfähigen weiblichen Bevölkerung unter verschiedenen Schweregraden der Endometriose. Das Krankheitsbild kann je nach Ausprägung sehr schmerzhaft sein und ist mitunter mit Operationen und Gewebsentfernungen verbunden.
Vor der Einleitung einer Opioidtherapie sollen die verfügbaren nicht-medikamentösen Therapieoptionen optimiert und medikamentöse Alternativen (NSAID) erwogen werden. Die Anwendung opioidhaltiger Analgetika soll, unabhängig vom Therapiezeitraum, auf Patienten mit einem relevanten somatischen Anteil in der Schmerzentstehung beschränkt werden. Auch Patienten, die nicht ausreichend auf nicht-medikamentöse Therapien ansprechen, können zentral wirksame Schmerzmittel verordnet bekommen. Eine Anwendung von Opioiden bei chronischen Rücken- und Atrhoseschmerzen über mehr als vier Wochen sollte nicht erfolgen. Innerhalb dieser Indikationen wurde eine Langzeitanwendung konsensbasiert weiter eingeengt. Nur wenn ein erforderlicher Gelenkersatz nicht möglich oder vom Patienten nicht gewünscht ist, sollten Opioide dauerhaft angewendet werden. Das gilt auch für Personen, bei denen ein Einsatz von NSAID kontraindiziert ist oder andere Analgetika wirkungslos sind.
Die Kombination von zentral wirksamen Schmerzmitteln mit Tranquilizern sollte aufgrund der entstehenden Nebenwirkungen und des Abhängigkeitspotentials nicht erfolgen. In einer US-Studie mit 315.428 Versicherten in den Jahren 2001 bis 2013 war die kombinierte Einnahme der beiden Wirkstoffklassen im Vergleich zu einer Monolangzeittherapie mit Opioiden mit einem erhöhten Risiko für eine Vorstellung in der Notaufnahme wegen einer Überdosierung assoziiert.
Es gibt Annahmen, dass die Kombination dieser zwei Wirkstoffklassen sehr effektiv Migräne lindern kann. Die Fachgesellschaften haben sich darauf geeinigt, dass bei Kopfschmerzen jeglicher Art keine Opiode eingenommen werden sollten. Bei Medikamentenübergebrauch kann rasch ein induzierter Kopfschmerz entstehen. Die S1-Leitlinie zum Spannungskopfschmerz stellt, dass retrospektive Analysen von Patienten mit täglichem Kopfschmerz, die opioidhaltige Analgetika erhielten, zeigen, dass die Mehrzahl der Patienten entweder wegen Wirkungslosigkeit oder nicht zu tolerierender Nebenwirkungen die Therapie abbrachen.
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