Portrazza als neue Option bei Lungenkrebs Dr. Kerstin Neumann, 06.04.2016 12:09 Uhr
Seit Anfang April ist das Onkologikum Portrazza (Necitumumab) in Deutschland erhältlich. Das Produkt von Hersteller Lilly soll bei Lungenkrebs eingesetzt werden. Es wird in Kombination mit Gemcitabin und Cisplatin bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem NSCLC angewendet, die zuvor noch keine andere Therapie erhalten haben.
Der monoklonale Antikörper wirkt spezifisch und hochselektiv auf den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR) in der Tumorzelle und blockiert die Bindungsstelle des natürlichen Liganden. Die Aktivierung von EGFR führt normalerweise zur Tumorzellproliferation, Angiogenese und Hemmung der Apoptose. Der Listenpreis liegt bei 1871 Euro für eine Anwendung. Pro Zyklus muss das Präparat zweimal angewendet werden, die maximale Anwendungsdauer beträgt sechs Zyklen über drei Wochen.
In der Zulassungsstudie war der monoklonale Antikörper in Kombination mit Gemcitabin/Cisplatin mit einem signifikanten Überlebensvorteil gegenüber einer ausschließlichen Behandlung mit Gemcitabin/Cisplatin assoziiert. Der mediane Gesamtüberlebensvorteil betrug unter Necitumumab 1,7 Monate. Insgesamt überlebten Patienten unter der Therapie 11,7 Monate, im Vergleich zu zehn Monaten unter Standardtherapie. Patienten in diesem Behandlungsarm wiesen mit 5,7 Monaten auch ein statistisch signifikant längeres progressionsfreies Überleben auf als Patienten im Kontrollarm, die 5,5 Monate progressionsfrei überlebten.
Unter Necitumumab traten allerdings wesentlich häufiger Nebenwirkungen auf, die für Anti-EGFR-Antikörpertherapien charakteristisch sind. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Rötungen, Hypomagnesiämie und venöse thromboembolische Ereignisse. Eine Analyse des Gesundheitsstatus der Patienten zeigte aber: Verglichen mit der Standardtherapie führte Portrazza als Add-on-Therapie bei der Mehrzahl der Patienten nicht zu einer Verschlechterung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.
Für den Einsatz von Necitumumab dient die Expression des EGF-Rezeptors als Biomarker. Vor der Behandlung sollte daher zunächst histopathologisch geprüft werden, ob beim Tumor eine EGFR-Expression überhaupt vorliegt und die Behandlung mit Portrazza angezeigt ist. Im Unterschied zu den Tyrosinkinasehemmern spielt der Mutationsstatus des Rezeptors keine Rolle.
In den USA hatte die Preispolitik von Lilly für Aufruhr unter Klinikern gesorgt: Für eine Einmonatstherapie hatte der Hersteller im Dezember einen Preis von 11.430 US-Dollar angegeben. Ärzte hatten dies als viel zu hoch im Vergleich zum aus ihrer Sicht eher moderaten Nutzen des Medikaments. Eine Gruppe von Medizinern des Georgia Institute of Technology hatte in einer Veröffentlichung im Journal of the American Medical Association geäußert. Ein Preis von knapp 1900 US-Dollar sei angemessen, mehr nicht, so die Ansicht.
Lilly hielt aber zunächst an dem Preis fest. Im Vergleich zu anderen biotechnologisch hergestellten Medikamenten sei die Höhe angemessen. Der klinische Nutzen sei außerdem deutlich besser als von der Medizinergruppe dargestellt. Eine neue Option für Patienten und ihre behandelnden Onkologen, die insgesamt nur sehr wenige Therapiemöglichkeiten zur Verfügung hätten, sei ein deutlicher Benefit und seinen Preis wert, so der Hersteller.
Zuletzt hatte sich Boehringer in Deutschland den Unmut einiger Ärzte zugezogen, als Mitte Januar das Praxaxa-Antidot Praxbind eingeführt wurde. Mit Praxbind soll die Behandlung mit dem Gerinnungshemmer Pradaxa (Dabigatran) sicherer werden. Boehringer hatte in klinischen Studien eindrucksvoll zeigen können, wie das Antidot die Effekte praktisch wieder aufheben kann.
Seit Mitte Januar ist das Produkt verfügbar – zu einem Listenpreis von 2500 Euro. Der Konzern hält den Betrag trotz Beschwerden von Ärzten aber für angemessen. Im Vergleich zu anderen Präparaten mit ähnlichen Einsatzgebieten sei der Preis sogar niedrig, hatte eine Sprecherin erklärt. Der Preis sei eher symbolisch zu sehen. Priorität sei die breite Verfügbarkeit des Produktes.
Ein rekombinanter Faktor VIIa, der ebenfalls bei Problemen mit Pradaxa eingesetzt werde, koste beispielsweise mehr als 6000 Euro. Der endgültige Preis für Praxbind könne je nach Verhandlungen mit den Kliniken durchaus noch weiter sinken. Außerdem plane man, nicht gebrauchte Ware nach Ablauf des Verwendungsdatums kostenfrei zurückzunehmen.