Malariaprotein als Zyto-Transporter Dr. Kerstin Neumann, 03.11.2015 11:07 Uhr
Ein Protein des Malaria-Erregers Plasmodium falciparum könnte künftig eine Rolle in der Behandlung von Krebserkrankungen spielen. Forscher der Universität Kopenhagen haben entdeckt, dass es an Moleküle bindet, die spezifisch in Krebszellen exprimiert werden. Das könnte eine Möglichkeit darstellen, Krebsmedikamente gezielt in die Tumorzellen einzuschleusen und andere Körperzellen zu schonen.
Eigentlich hatten Professor Dr. Ali Salanti und seine Kollegen ganz andere Pläne: Sie wollten eine Antwort darauf finden, warum Malaria besonders bei schwangeren Frauen ausbricht. Der Zufall führte sie dabei zu einer potenziellen neuen Krebstherapie.
Sie fanden heraus, dass der Malaria-Erreger einen besonderen Mechanismus besitzt, um in Plazentazellen einzudringen: Der Parasit exprimiert ein spezifisches Protein auf der Oberfläche der Erythrozyten, in denen er lebt. Dieses dockt an ein Glycosaminglycan an, die für Plazentazellen spezifisch ist, in anderen körpereigenen Zellen aber so gut wie nicht vorkommt.
Mit einer Ausnahme: Die gleiche Struktur, das oncofetale Chondroitinsulfat, findet sich auch in einer großen Zahl von Krebszellen. Auf diesen Zusammenhang wurden die dänischen Forscher von Kollegen aus Vancouver gebracht, die in der Krebsforschung aktiv sind. Diese erkannten in dem Zucker einen alten Bekannten aus ihren klinischen Untersuchungen.
Bei näherer Betrachtung ist das sogar naheliegend. Sowohl Placenta-Zellen als auch Krebszellen haben nämlich sehr ähnliche Eigenschaften: Beide besitzen eine hohe Zellteilungsaktivität und sind gewebeinvasiv. Diese Ähnlichkeit war Wissenschaftlern schon lange bekannt, allerdings fehlten bislang die Technologien, um identische Strukturen von Plazenta- und Krebszellen ausfindig zu machen, so die Forscher.
Überrascht zeigten sich die Forscher allerdings, in welchem Umfang das Zuckermolekül in Krebszellen zu finden ist. Mehr als 95 Prozent der getesteten Melanom- und Lungentumorzellen zeigten eine Bindung des Malariaproteins mit dem umständlichen Namen VAS2CSA innerhalb der Zelle.
Die spezifische Bindung zwischen Malariaprotein und Chondroitinsulfat wollen die Wissenschaftler nun nutzen. Ihre Hypothese: VAS2CSA müsste an Krebsmedikamente gekoppelt werden. Durch die spezifische Bindung dieses Tandems an das Zuckermolekül in der Krebszelle könnte dann ein zielgerichteter Transport des Medikamentes genau zum Wirkort stattfinden.
Erste Erfolge sind bereits zu verzeichnen. Das Start-up Kairos Pharmaceutics in Vancouver konnte eine Reihe potenzieller Krebsmedikamente an rekombinant hergestellte Malariaproteine koppeln. Anschließend wurden sie Mäusen verabreicht, denen menschliche Tumorzellen eingepflanzt worden waren.
Die Therapie schlug an: Die Moleküle reicherten sich in den Krebszellen an und konnten sowohl das Tumorwachstum als auch eine Metastasenbildung verhindern. Bei einem Drittel der Tiere verschwanden die Tumoren sogar komplett.
Die Forscher sind optimistisch, gleiche Ergebnisse auch am Menschen reproduzieren zu können und versprechen sich durch die gezielte Behandlung eine deutlich nebenwirkungsärmere Krebstherapie. In spätestens drei bis vier Jahren wollen sie die Substanzen so weit entwickelt haben, dass klinische Studien durchgeführt werden können.