Nach dem ARD-Beitrag „Methadon – Warum ein preiswertes Mittel für Krebspatienten nicht erforscht wird“ häufen sich Medienberichte. Betroffene Patienten zeigen großes Interesse und erhoffen sich Heilung. Zu Unrecht, sagt die Deutsche Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO ) und warnt vor „unrealistischen Erwartungen“.
Die Sendung „Plusminus“ stellte hauptsächlich die im März veröffentlichte Studie von Onken und Friesen et.al. zum Einsatz des Wirkstoffs bei Patienten mit Gliomen vor. In der retrospektiven Studie wurden Sicherheit und Verträglichkeit von D,L-Methadon bei 27 Probanden mit Tumoren unterschiedlicher Stadien und unterschiedlichen Risikofaktoren analysiert. Die Teilnehmer erhielten zusätzlich zu ihrer bestehenden Chemotherapie eine 1-prozentige Lösung des Arzneistoffs. Die Anfangsdosis betrug 5 mg; je nach Verträglichkeit wurde diese Dosis auf bis zu 35 mg pro Tag erhöht.
Die Mehrheit der Patienten vertrug die Substanz gut und ohne oder mit sehr milden Nebenwirkungen. Nur ein geringer Teil klagte über Übelkeit und Verstopfung. Den Studienautoren zufolge wird Methadon daher gut vertragen. Außerdem wurden histologische Untersuchungen mittels Biopsie oder Resektion durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass 18 von 27 Patienten nach der Therapie keine Rezidive hatten.
In einem öffentlichen Schreiben nimmt die DGHO Stellung zu der Studie und dem Hype um Methadon. Darin führt sie unter anderem an, dass die Tabelle III der Publikation bei zwei Patienten fehlerhaft sei. Die Onkologen weisen darauf hin, dass die Berechnung der progressionsfreien Überlebenszeit „unscharf“ sei. Es sei nicht eindeutig, ob man die positiven Effekte zwingend mit einer Methadon-Einnahme begründen könne. Außerdem stellen sie klar, dass die Wirksamkeit von Methadon bei Gliomen allein in einer einzigen unkontrollierten Studie analysiert wurde. Sie fordern klinische Untersuchungen, im idealen Fall sollten diese randomisiert sein.
Bereits vor etwa neun Jahren konnte ein Forscherteam um Dr. Claudia Friesen am Universitätsklinikum Ulm anhand von In-vitro- sowie Tierversuchen zeigen, dass Methadon den Zelltod von Leukämiezellen auslösen kann. Vor etwa drei Jahren zeigte das Team dann, dass Methadon die Chemotherapie bei bösartigen Hirntumoren, den Glioblastomen, unterstützen kann. Die Tumorzellen bilden auf ihrer Oberfläche Opioid-Rezeptoren aus, an die das Methadon sich festsetzen kann.
Dockt der Wirkstoff an, öffnet die Zelle Kanäle für das Krebsmedikament, das dann in das Innere einströmen kann. Auf der anderen Seite aktiviert das Zytostatikum die Krebszelle, vermehrt Oberflächenrezeptoren für Methadon zu produzieren. Somit wird die Wirkung verstärkt, gesunde Zellen werden nicht angegriffen und bleiben unversehrt.
Über all die wissenschaftlichen Erkenntnisse hat das Universitätsklinikum Ulm, wo Friesen am Institut für Rechtsmedizin tätig ist, regelmäßig berichtet. Auf der Website des Instituts konnten Interessenten Pressemitteilungen zu ihren Erfolgen lesen.
Außerdem gab es eine Sammlung von Fragen und Antworten zum Thema Methadon. Weder die öffentlichen Mitteilungen noch die Fragensammlung sind derzeit zugänglich. Anfang Juli wurden diese von der Klinikumsleitung gelöscht.
Da für die Anwendung am Menschen klinische Studien fehlen, raten das Klinikum sowie Verbände von Onkologen wie auch Palliativmedizinern vom Off-label-Einsatz von Methadon als Krebsmedikament ab, da die Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist. „Der unkontrollierte Einsatz weckt bei Patienten unrealistische Erwartungen, die sich nachteilig für die Patienten auswirken können“, heißt es weiterhin. Das Klinikum unterstützt laut ihrer Pressemitteilung die Durchführung klinischer Studien und erwähnt, dass die Therapie mit Methadon auch mit Risiken verbunden sei.
Die Südwest Presse schreibt, dass es nach einer Auseinandersetzung an der Universitätsklinik Ulm zu einem Ärzte-Treffen gekommen sei. Dabei kam es laut Bericht zu der Übereinkunft, dass Friesen seitens der Klinikleitung „aktiv“ bei der Durchführung von klinischen Studien unterstützt wird.
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