Ein Mittel aus der Tiermedizin soll vielen Menschen helfen, die unter Flussblindheit (Onchozerkose) leiden. Die Wurmkrankheit, die durch Kriebelmücken übertragen wird, betrifft weltweit mehr als 20 Millionen Menschen. Die Initiative Medikamente für Vernachlässigte Krankheiten (DNDI) und der Pharmakonzern Bayer haben nun einen Kooperationsvertrag über die Entwicklung eines Medikaments unterzeichnet, das die Krankheit vollständig heilen soll.
Die Forscher wollen dafür den Wirkstoff Emodepsid weiterentwickeln. An der Forschung beteiligt ist auch die Universität Bonn. Das Anthelminthikum mit einem breiten Wirkungsspektrum gegen Fadenwürmer wird heute in der Tiermedizin eingesetzt: Bayer vertreibt Emodepsid in der Kombination mit Praziquantel unter der Marke Profender zur Anwendung auf der Haut bei Katzen und in der Kombination mit Toltrazuril unter dem Namen Procox in Tablettenform für Hunde.
Emodepsid blockiert die neuromuskulären Synapsen des Pharynx und der Körpermuskulatur der Fadenwürmer und führt zu einer Lähmung der Parasiten. Nach der Applikation reichert sich der Wirkstoff im Fettgewebe an und wird langsam freigesetzt. Der Wirkstoff stammt ursprünglich vom japanischen Pharmakonzern Astellas. Bayer hatte die Rechte daran für die Tiermedizin erworben, darf sie nun aber nach eigenen Angaben auch für das neue Mittel verwenden.
Die Flussblindheit kommt vor allem in Afrika vor. Die Betroffenen gehören zu den Ärmsten der Armen; viele von ihnen leben in schwer zugänglichen Gebieten. Wer an Flussblindheit erkrankt, spürt zunächst einmal nichts. Erst in einem späteren Stadium wachsen Würmer im Körper heran, die bis zu 50 Zentimeter lang werden können.
Sie streuen für die Dauer ihres Lebens – bis zu 17 Jahre – winzige Fadenwürmer, sogenannte Mikrofilarien, die unter anderem das Auge schädigen. So kann es zur Erblindung kommen. Das neue Medikament soll nicht nur die Fadenwürmer bekämpfen, sondern auch die erwachsenen Würmer abtöten.
„Sollte das wirklich funktionieren, dann wäre das fantastisch“, sagte Ulrike Loos, Sprecherin der Christoffel Blindenmission. Denn die Wirkstoffe, die bislang eingesetzt würden, hätten zwar die Fadenwürmer erfolgreich zerstört, allerdings ohne den erwachsenen Wurm abzutöten. Deshalb mussten die Betroffenen jahrelang immer wieder behandelt werden.
„Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung bis zu neun Jahre in Anspruch nehmen wird“, sagte DNDI-Geschäftsführer Bernard Pécoul. Klinische Studien für das neue Mittel, das einfach in der Anwendung sein soll, werden voraussichtlich im Kongo stattfinden, wo in einigen Gebieten laut DNDI rund 40 Prozent der Bevölkerung unter Flussblindheit leiden.
DNDI ist eine Non-Profit-Organisation, die sich auf Forschung an Medikamenten gegen die am meisten vernachlässigten Krankheiten konzentriert. Die Kosten für die Entwicklung des Medikaments, das Bayer später in Zusammenarbeit mit den Regierungen der betroffenen Entwicklungsländer quasi zum Selbstkostenpreis abgeben will, tragen DNDI (30 bis 40 Millionen Euro) und Bayer HealthCare (rund fünf Millionen Euro für die Forschung sowie die Kosten für die Zulassung).
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