Verbrannter Kaffeesatz oder in Zitronen gesteckte Nelken sollen ungebetene Wespen vertreiben. Doch die Tiere lassen sich davon nur wenig beeindrucken, geschweige denn fernhalten. Der Flugverkehr ist noch lange nicht eingestellt, Wespen verschwinden meist erst mit dem ersten Frost. Solange sind vor allem Allergiker in Gefahr, denn lebensrettende Notfallarzneimittel sind seit Monaten Mangelware. Notfallpens und flüssiges Kortison wie Celestamine N 0,5 liquidum (Betamethason, MSD) sind gar nicht beziehungsweise nur eingeschränkt lieferbar. Für einzelne Epinephrin-Autoinjektoren wurde zuletzt die Haltbarkeit verlängert. MSD verweist in Zeiten angespannter Liefersituationen auf die Konkurrenz, denn Celestamine wird voraussichtlich bis November fehlen.
Eine Kontingentierung von Celestamine sollte die Notfallversorgung von Allergikern aufrecht erhalten. Bereits im März verschärfte MSD die Bestellmodalitäten und forderte Ärzte auf, per Fax zu bestätigen dass das verordnete Celestamine ausschließlich für die Indikation „Akutbehandlung nach Bienen- und Wespenstichen bei Insektengiftallergie oder als Bestandteil des Notfallsets zur Soforthilfe bei anaphylaktischen Reaktionen“ verwendet wird. Im Juli wurde die Vorgabe entschärft und ein entsprechender Hinweis musste auf der Verordnung dokumentiert werden.
Mitte August erhielten Allergiker und Apotheker die Hiobsbotschaft: MSD ist vorübergehend lieferunfähig. Bis September sollte der Engpass andauern, ein Blick auf die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldeten Lieferengpass verrät: Celestamine ist voraussichtlich bis November defekt. Ursache sei eine länderübergreifende Cyberattacke im Sommer letzten Jahres, die noch immer nicht gänzlich behoben werden konnte.
Das Unternehmen empfiehlt auf Mitbewerber auszuweichen, doch enthalten diese andere Wirkstoffe. Alternative Notfalltherapien stehen laut MSD in Form von Infectodexakrupp 2 mg/ 5 ml (Dexamethason, Infectopharm), Infectocortikrupp Zäpfchen (Prednisolon, Infectopharm) oder Okrido 6 mg/ml (Prednisolon, Pharmapol) zur Verfügung. Vor allem Letzteres soll die Lücke schließen.
Okrido ist seit April auf dem Markt und hat 54 Indikationen. Doch die Akutbehandlung von anaphylaktischen Reaktionen zählt zu den Fokusindikationen des Prednisolon-haltigen Saftes aus Hohenlockstedt. Seit Celestamine ausgefallen ist, ist „Okrido die einzige Alternative mit einer Saftgalenik als Fertiarzneimittel“, schreibt Produktmanager Lars Kröger. Man habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, „um den stark gestiegenen Bedarf decken zu können“.
„Durch unsere eigene Produktion von Okrido in Dägeling in Schleswig-Holstein konnten wir schnell und flexibel reagieren“, so Kröger. „Inzwischen können wir den Bedarf des Großhandels decken und stehen weiterhin als erste Alternative zu Celestamine zur Verfügung.“
Im Akutfall erhalten Kinder mit einem Körpergewicht von weniger als 6 kg Okrido in einer Menge von 3 ml. Betroffene mit einem Körpergewicht zwischen 15 und 30 kg erhalten 15 ml Saft. Wer mehr als 43 kg wiegt, sollte im Falle eines anaphylaktischen Schocks 20 ml – die ganze Flasche – zu sich nehmen. Die allgemeine Empfehlung zur Behandlung der Anaphylaxie beträgt 2 bis 5 mg/kg KG. Die sirupartige Lösung mit Kirschgeschmack wird in die Backentasche appliziert. Eine 5-ml-Dosierspritze liegt der 20-ml-Glasflasche bei und soll eine genaue Abmessung ermöglichen. Betroffenen steht eine Gesamtmenge von 120 mg Prednisolon zur Verfügung. Die entzündungshemmende und immunsuppressive Wirkung von Prednisolon ist gegenüber Hydrocortison um den Faktor 4 bis 5 erhöht.
APOTHEKE ADHOC Debatte