Der Lieferengpass mit Medizinalhanf ist insbesondere für Patienten kritisch, die wochenlang auf die Blüten warten und gleichzeitig aufgrund einer Therapieresistenz keine anderen Arzneimittel nehmen können. So ist es auch im Fall von Rüdiger Kloß-Neumann, der als chronischer Schmerzpatient auf Cannabis angewiesen ist und seit einer Woche vergeblich auf sein Medikament wartet.
Die Anwendungsgebiete von Cannabis sind vielfältig, von Multipler Sklerose, chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen bis hin zu psychischen Erkrankungen kann die Substanz auch bei Schmerzen eingesetzt werden. Kloß-Neumann, Geschäftsführer von sens media, verwendet seit 2014 Cannabis zur Behandlung seiner Cluster-Kopfschmerzen, die sich vor drei Jahren chronifiziert haben. Zusätzlich leidet der 42-Jährige unter Gelenk- und Rückenschmerzen.
Schon bevor das neue Gesetz in Kraft trat, konnte Klos-Neumann Cannabisblüten aus der Apotheke beziehen, denn seit 2014 hat er eine Ausnahmegenehmigung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Seine Cannabisblüten konnten binnen 48 Stunden von seiner Apotheke besorgt werden. Doch jetzt kann er seine Therapie nicht fortführen, da die Importeure nicht liefern können.
„Die Verzweiflung ist groß, denn es muss immer die gleiche Sorte mit dem gleichen Wirkstoffgehalt sein, damit es lindernd wirkt“, sagt Kloß-Neumann. Die falsche Sorte könne zu einem Trigger werden, der bei ihm die Schmerzen auslöst. Therapeutisch setze er die Blüten von Pedanios und Bedrocan mit 22 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) und weniger als 1 Prozent Cannabidiol (CBD) ein. „Seit März gibt es meine Sorte von Pedanios nicht, zwischendurch habe ich die 14/1-Sorte nehmen müssen. Dies führte allerdings zu einem negativen Effekt – die Schmerzen brachen wieder aus“, berichtet der Schmerzpatient.
Seine Reserven an der Sorte Bedrocan reichten nur noch für vier bis fünf Tage. Nach 24 Stunden habe sich die Blutkonzentration des Wirkstoffs dann so weit minimiert, das die Cluster-Kopfschmerzen in vollem Umfang wieder zu Tage kämen. „Bei einer Schmerzskala von 0 bis 10 liege ich ohne Medikation bei 8 bis 9 und mit Medikation bei 2 bis 3“, erläutert der Betroffene.
„Ich muss mich theoretisch neu einstellen“, sagt er. Da er aber schon therapieresistent sei, spreche er auf andere verfügbare Arzneimittel nicht mehr an. „Wenn der Cluster-Schmerz wieder ausbricht, kann ich meine Tätigkeit als Unternehmer kaum fortführen“, so Kloß-Neumann. „Es ist ein Medikament, was ich täglich brauche, um am Alltag teilzunehmen.“
Neben der Linderung seiner Krankheitssymptome bewertet er es auch positiv, dass seine Medikation nebenwirkungsarm ist. Die vorherige Therapie mit chemischen Substanzen führten unter anderem zu Magenbeschwerden, die zum Teil die Behandlung einschränkten oder seine Compliance gefährdeten. „Seit dem ich Cannabis nutze, brauche ich keine anderen Schmerzmittel mehr“.
Zu Beginn nahm er den Medizinalhanf in einer einschleichenden Dosierung ein. Die Therapie habe er gut vertragen und auch am Anfang kaum Nebenwirkungen gespürt. „In der Einstellungsphase hatte ich lediglich einen gesteigerten Appetit“, berichtet er. Nach vier Wochen sei er eingestellt gewesen und damit verschwand auch die unerwünschte Arzneimittelwirkung. Euphorische Zustände habe er unter der Behandlung nicht erlebt.
Die Wirkstoffe nehme er entweder oral über die Nahrung oder inhalativ mithilfe eines Vaporisators auf. „Die Aufnahme über das Essen führt zu einer zehnfach stärkeren Wirkung“, sagt Kloß-Neumann. Die Methode sei eine Empfehlung von seinem Arzt Dr. Franjo Grotenhermen. „Zurückzuführen ist dieses Phänomen auf die Decarboxylierung der THC-Säuren", so Kloß-Neumann. Auf einer Website von sens media präsentiert der Geschäftsführer Rezepte mit „aktiviertem“ Cannabis. „Insbesondere für ältere Patienten, die die Substanz nicht inhalieren wollen, ist die Aufnahme über die Nahrung sehr vorteilhaft“, sagt Kloß-Neumann.
Seine Therapie kann er bald zunächst nicht mehr wie gewohnt fortführen, denn mit einem aktuellen Schreiben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) erhielt Kloß-Neumann eine Absage: Die Kosten für seine Behandlung mit Cannabis werden ab sofort nicht mehr übernommen. „Meine Therapie kostet monatlich etwa 8000 Euro“, sagt er. Alleine könne er dafür nicht aufkommen. Er werde rechtliche Schritte gegen die AOK einleiten, denn „ohne Cannabis fehlt mir Lebensqualität“.
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