Nutzenbewertung

Studie: IQWiG ignoriert Expertenmeinung

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Berlin -

Sachverständige aus Wissenschaft und Versorgung beteiligen sich intensiv an der Nutzenbewertung neuer Arzneimittel. Ihre Meinungen werden jedoch zu wenig berücksichtigt, bemängelt das IGES-Institut, das eine Studie zu den Auswirkungen von Stellungnahmen in der Nutzenbewertung durchgeführt hat. In drei von vier Verfahren weicht die abschließende Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) von den Meinungen der Sachverständigen ab – trotz gleicher Datenbasis.

Vor allem kritisiert das IGES-Institut das intransparente Vorgehen des IQWiG bei der Auswahl der Experten. „Es wird nichts veröffentlicht“, sagt Hans-Holger Bleß, Bereichsleiter Versorgungsforschung des IGES. Man erfahre zwar die Namen der beteiligten Sachverständigen, Informationen über die Art und die Qualität der Stellungnahmen würden aber nicht bekannt gemacht.

Das IGES-Institut befragte daher kurzerhand die Experten selbst. „Es ist eine sehr hohe Bereitschaft zu verzeichnen, an den Gutachten des IQWiG zu beteiligen“, sagt Bleß. Allerdings würden die Sachverständigen selbst die Auswahlkriterien als intransparent empfinden. „Sie sehen sich zwar als die richtigen Experten an. Nach welches Kriterien das IQWiG die Auswahl getroffen hat, wissen sie aber selbst nicht“.

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Zeit zur Erstellung der Gutachten sei zu kurz. „Die Fragebögen des IQWiG müssen von den Experten innerhalb von fünf Arbeitstagen beantwortet werden. Das lässt den Sachverständigen kaum Zeit für intensive Recherchen. Zugang zum Nutzendossier der Hersteller erhalten sie dabei nicht. Damit fehlt ihnen eine wichtige Datengrundlage für die Erstellung ihrer Bewertung“, so Bleß.

Das generell große Interesse externer Experten an einer Beteiligung zeigt sich in der kontinuierlich wachsenden Zahl von Stellungnahmen medizinischer Fachgesellschaften. An 112 der 136 analysierten AMNOG-Verfahren beteiligten sich laut IGES insgesamt 60 verschiedene Fachgesellschaften, Berufsverbände und Arbeitsgruppen.

Auffällig ist dabei, dass Fachgruppen häufig von negativen Bewertungen des IQWiG abweichen. In 84 Prozent der Stellungnahmen erkennen sie einen höheren Zusatznutzen eines neuen Medikamentes. „Das Ausmaß unterschieldicher Bewertungen überrascht, urteilen doch alle auf der Basis der gleichen Daten und Methoden der evidenzbasierten Medizin“, so Bleß. „Offensichtlich ist die frühe Nutzenbewertung kein mechanisches Verfahren, sondern lässt unterschiedliche Interpretationen zu, auch wenn es um eine objektive Einstufung des patientenrelevanten Zusatznutzens gehen soll.“

Beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) seien die Abweichungen der Bewertungen über den Zusatznutzen weniger stark ausgeprägt, so Bleß. Hier gebe es nur in 51 Prozent der Fälle Abweichungen von der Meinung der Sachverständigen. Dennoch sieht Bleß Verbesserungspotenzial: „Wer kann den Patientennutzen besser beurteilen als ein Experte aus dem Fachgebiet selbst?“

Für Bleß fehlt in der abschließenden Bewertung die Rolle der Wissenschaft. „Am Ende entscheidet ein Jurist über ein hochfachliches Thema. Das ist problematisch. Ein Stimmrecht für die Wissenschaft in der Nutzenbewertung könnte zu einer sachgerechten Entscheidung sicherlich beitragen“.

Beim G-BA würden die Entscheidungen über einen Zusatznutzen derzeit vom Unterausschuss Arzneimittel gefällt. „Da sitzen sicher gute Fachkräfte, aber keine Experten für das entsprechende Versorgungsgebiet. Die Entscheidungen und die Einbeziehung von Sachverständigen sind auch hier intransparent“, so IGES-Chef Professor Dr. Bertram Häussler. Für ihn müsste die abschließende Nutzenbewertung von einem Expertengremium gefällt werden.

Als Vorbild nennt Häussler das britische Qualitätsinstitut NICE: „Dort entscheiden die Experten selbst. Von den 33 Mitgliedern des Gremiums sind nur drei aus den politischen Gremien, der Rest setzt sich aus Akademikern, Forschern, Klinikern und sogar Industrievertretern zusammen. Da müssen wir auch hinkommen.“

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