Nutzenbewertung

G-BA: Jedes zweite Medikament durchgefallen

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Berlin -

Fast jedes zweite neue Arzneimittel gegen schwere Krankheiten nutzt den Patienten nicht mehr als die gewohnten Medikamente. Die Nutzenbewertungen haben ergeben, dass in rund 45 Prozent der Fälle der neue Wirkstoff den gängigen Therapien nicht überlegen ist. Das zeigt eine aktuelle Bilanz des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).

Von mittlerweile fast 100 Präparaten, die bislang nach den seit 2011 geltenden Regeln bewertet wurden, erkannten die Prüfer bei 20 einen beträchtlichen Zusatznutzen. Einen geringen Mehrwert bescheinigten die Prüfer 25 Medikamenten. Acht Präparaten wurde ein Zusatznutzen bescheinigt, der allerdings nicht näher quantifizierbar sei.

In vielen Fällen sei ein Zusatznutzen nicht für das gesamte Anwendungsgebiet, sondern nur für einzelne Patientengruppen anerkannt. Laut G-BA-Chef Josef Hecken erfüllt das Verfahren seine Funktion, „echte Innovationen von Scheininnovationen und damit die 'Spreu' vom Weizen“ zu trennen“.

Hersteller hätten neun Medikamente im Zuge der Bewertungsverfahren vom Markt genommen, darunter etwa Janssen (Invokana) und Eisai (Fycompa). 108 Fachanhörungen habe der Ausschuss zu den Wirkstoffen durchgeführt – auch unter intensiver Teilnahme von Vertretern der Pharmaindustrie. Die Branche hatte das Bewertungsverfahren heftig kritisiert.

Laut G-BA ist die frühe Nutzenbewertung aber etabliert und stabil. Die Beschlüsse würden in den meisten Fällen in großer inhaltlicher und fachlicher Übereinstimmung getroffen. 88 Prozent seien mit Zustimmung der Patientenvertretung getroffen worden. Dies widerlege das immer wieder vorgetragene Argument, die GKV habe ein zu starkes Gewicht in dem Verfahren und Patienteninteressen würden nicht hinreichend gewürdigt.

Das Verfahren sei alles andere als ein rein formales Beurteilungsverfahren. Meinungspluralität, unterschiedliche Einschätzungen von Experten, Fachgesellschaften und pharmazeutischen Unternehmen hätten ein großes Gewicht. Nach der Veröffentlichung der Dossiers des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) folge eine intensive fachliche Diskussion mit Unternehmen, Verbänden, Fachgesellschaften und Einzelsachverständigen.

Der G-BA hebt besonders die Beteiligung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hervor, die in fast der Hälfte der Verfahren umfangreiche Stellungnahmen abgegeben habe. Sehr häufig hätten die Ergebnisse der Stellungnahmeverfahren zu Nachbewertungen geführt. Auch die Gespräche mit den Herstellern würden mit wachsender Frequenz genutzt. Fast 260 solcher Beratungsgespräche habe es laut G-BA seit Einführung des AMNOG gegeben.

Diskutiert werden müsse, wie völlig überzogenen „Einstandspreisen“, insbesondere Orphan Drugs, während des ersten Jahres nach Marktzugang begegnet werden könne. Auch über eine stärkere Sanktionierung müsse nachgedacht werden, wenn Unternehmen keine Dossiers zur Bewertung einreichten oder die wesentlichen Module fehlten. Denn damit werde bewusst eine Bewertung vereitelt.

Schon im Frühjahr hatte Hecken versichert, Befürchtungen, das AMNOG könne die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln beeinträchtigen, hätten sich nicht bewahrheitet. In allen Fällen stünden qualitativ hochwertige Verordnungsalternativen zur Verfügung, so der G-BA. Auch zu Versorgungsengpässen sei es nicht gekommen. Perspektivisch werde der G-BA noch umfassender prüfen: Bei Onkologika würden künftig auch Daten über die Lebensqualität eingefordert.

Abgeschafft wurde bereits Anfang dieses Jahres die Bestandsmarktprüfung. Hecken verzichtete gern darauf, er hielt die Prüfung für extrem aufwändig: „Es ist nicht meine Herzensangelegenheit, jedes Bestandsmarkt-Medikament zu überprüfen“, sagte er damals. Die Kassen allerdings, die der Abschaffung ursprünglich zugestimmt hatten – im Austausch gegen Einsparungen aus Zwangsrabatt und Preismoratorium – wollen sie zurück. Nach der Barmer und dem Ersatzkassenverband vdek forderte auch die Techniker Krankenkasse (TK) die Wiedereinführung. Derzeit werde in den USA über die Einführung eines Nutzenbewertungsverfahrens diskutiert.

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