Interview HRA Pharma

„Apotheken sind ganz klar eine Alternative“

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Berlin -

Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel könnten bald apothekenpflichtig werden. Noch steht eine Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) aus. Profitieren könnte der Hersteller HRA Pharma, dessen Produkte PiDaNa und EllaOne noch patentgeschützt sind. Deutschland-Chef Klaus Czort erklärt im Interview, warum er dennoch einen OTC-Switch allein für Levonorgestrel nicht für sinnvoll hält und welche Rolle die Apotheken bei einem Fall der Verschreibungspflicht spielen.

ADHOC: Wird die Pille danach bald rezeptfrei?
CZORT: Das ist schwer zu beantworten. Vor der Empfehlung des Sachverständigen-Ausschusses hatte ich eigentlich noch mit einer Entlassung aus der Verschreibungspflicht gerechnet. Doch in der Politik gab es im Anschluss eine kontroverse Debatte. Auch im Koalitionsvertrag ist Levonorgestrel kein Thema. Daher denke ich momentan, dass die Diskussion auf ein Kontra vom BMG hinauslaufen wird.

ADHOC: Wären Sie trotzdem vorbereitet?
CZORT: Wir bereiten uns seit Monaten darauf vor, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können. Die Szenarien wurden alle durchgespielt. Die PiDaNa wird in Frankreich von einem Lohnhersteller produziert. Wir würden sicherheitshalber einen früheren Halbjahresbedarf auf Lager bestellen. Unser Dienstleister kann die Kapazitäten kurzfristig erhöhen und schneller liefern.

ADHOC: Wie hoch ist aktuell der Absatz?
CZORT: Insgesamt werden monatlich rund 40.000 Packungen PiDaNa und EllaOne verschrieben und abgegeben. Letztere hat mittlerweile einen Marktanteil von 63 Prozent nach Verordnungen, Tendenz weiter steigend.

ADHOC: Was passiert bei einer Entlassung aus der Verschreibungspflicht?
CZORT: Aus anderen Ländern wissen wir, dass etwa 90 Prozent der Patientinnen dann direkt in die Apotheke gehen statt zum Arzt. Das hat zur Folge, dass sich die Nachfrage nach Levonorgestrel innerhalb eines Jahres verdoppelt.

ADHOC: Was heißt das für Sie?
CZORT: Auch wenn die PiDaNa nur halb so teuer ist wie EllaOne, könnten die gestiegenen Einahmen auf der einen Seite die Ausfälle auf der anderen Seite kompensieren. Wichtiger als die unternehmerische Sicht ist aber die fachliche Bewertung: Durch den alleinigen OTC-Switch für Levonorgestrel würde der Zugang zur EllaOne faktisch versperrt – zumindest für Frauen, die den schnellen Weg in die Apotheke bevorzugen. Wir setzen uns seit Jahren für EllaOne ein, da das Produkt das sicherste Notfallkontrazeptivum ist. Ulipristalacetat wirkt auch noch bis kurz vor dem Eisprung, wo das Schwangerschaftsrisiko am höchsten ist, Levonorgestrel dagegen nur bis zwei Tage davor.

ADHOC: Also sind Sie gegen einen Switch?
CZORT: Solange es nur um Levonorgestrel geht, wäre ein OTC-Switch nicht das Richtige. Ich halte es für besser, wenn beide Produkte in Deutschland den gleichen Status haben. Beide Notfallkontrazeptiva sollten daher zum gegebenen Zeitpunkt aus der Verschreibungspflicht entlassen werden.

ADHOC: Ist diese Hoffnung realistisch?
CZORT: Der Wirkstoff Ulipristalacetat wird bereits von verschiedenen Facharztverbänden als neuer Standard für Notfallkontrazeptiva beschrieben. Die Situation ist aber nicht vergleichbar. Levonorgestrel ist seit mehr als zehn Jahren zugelassen und es gibt viel mehr Studien. EllaOne hat außerdem eine EU-Zulassung, weshalb Brüssel entscheiden müsste.

ADHOC: Sind die Apotheken aus Ihrer Sicht bereit für den Switch?
CZORT: Erster Ansprechpartner bei der Versorgung mit Notfallkontrazeptiva sind derzeit die Gynäkologen. Jede dritte Frau holt sich das Rezept aber in einer Notfallambulanz, da der ungeschützte Geschlechtsverkehr häufig außerhalb der Öffnungszeiten passiert. In der Notfallambulanz fehlt oft die Fachkompetenz der Frauenärzte. Apotheken sind ganz klar eine Alternative – sowohl fachlich als auch als Anlaufstelle im Notdienst. Viele Notärzte rufen heute schon in der Apotheke an, um sich zu informieren, bevor sie eine Verordnung ausstellen.

ADHOC: Wie helfen Sie als Hersteller den Apotheken?
CZORT: Wir haben unseren Außendienst bislang auf 16 Mitarbeiter verdoppelt. Wir kalkulieren mit einem weiteren temporären Plus von 40 bis 50 Mitarbeitern, falls die PiDaNa apothekenpflichtig wird. Dafür sind wir schon mit externen Dienstleistern im Kontakt. Außerdem bauen wir unsere Kooperationen mit Verbänden und Kammern aus, um ein umfangreiches Fortbildungsangebot anbieten zu können.

ADHOC: Und welche Unterstützung bieten Sie?
CZORT: Bislang haben wir überwiegend Gynäkologen besucht und nur sehr wenige Apotheken. Wir spüren aber, dass das Interesse an unseren Produkten deutlich zugenommen hat, seit das Thema öffentlich debattiert wird. Jetzt bieten wir verschiedene Fortbildungsmöglichkeiten für Apotheken an. Unser Außendienst führt bereits verstärkt Schulungen in Apotheken durch.

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