Die EU-Kommission hat Notfallkontrazeptivum EllaOne (Ulipristal) aus der Rezeptpflicht entlassen. Damit ist die Brüsseler Behörde der Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) gefolgt, die sich im November für die Freigabe ausgesprochen hatte. Die Entscheidung gilt prinzipiell für alle 28 EU-Staaten – allerdings haben die noch Spielraum.
Die „Pille danach“ mit Ulipristalacetat wurde 2009 im zentralen europäischen Zulassungsverfahren zugelassen. Bislang ist sie nur auf Rezept erhältlich, ebenso wie die älteren Levonorgestrel-Präparate. In Deutschland wird seit einigen Jahren über die Rezeptpflicht für diese Präparate diskutiert. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat sich bislang dagegen gewehrt.
Die EU überholt Deutschland nun und gibt das modernere Präparat frei. Da EllaOne zentral zugelassen wurde, gilt auch der OTC-Switch für alle Staaten. Allerdings lässt die „Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel“ den Ländern eine Lücke: Für empfängnisverhütende oder schwangerschaftsunterbrechende Arzneimittel können die Mitgliedstaaten abweichende nationale Regeln schaffen.
Kathrin Vogler, Arzneimittelexpertin der Linksfraktion, kritisiert, dass sich die Bundesregierung bislang noch nicht zu der Freigabe geäußert hat: „Eine klare Antwort will die Bundesregierung nicht geben und behält sich ein Hintertürchen offen, da speziell für Verhütungsmittel nationale Sonderwege beibehalten werden können.“ Die Regierung müsse aber zugeben, dass von den 28 EU-Mitgliedstaaten neben Deutschland nur sieben Länder gegen die Freigabe von EllaOne gestimmt hätten. Levonorgestrel sei bereits fast in der gesamten EU rezeptfrei.
Vogler kritisiert, dass die Bundesregierung noch keine Vorbereitungen dafür getroffen habe, die „Pille danach“ rezeptfrei zu machen. „So hat die Bundesregierung noch keine Pläne, wie insbesondere junge und sozial benachteiligte Frauen die Kosten für das Notfallpräparat weiterhin erstattet bekommen können, wenn es nicht mehr ärztlich auf einem Kassenrezept verordnet wird.“
Auch konkrete Überlegungen über Gesetzesänderungen, um zu verhindern, dass es durch die Rezeptfreiheit zu einer unerwünschten Ausweitung der Werbung komme, seien im Bundesgesundheitsministerium noch Fehlanzeige, so Vogler weiter. Außerdem gebe die Bundesregierung zu, dass sie noch keinerlei Gespräche darüber geführt habe, wie die Beratungsqualität nach Entlassung aus der Rezeptpflicht gesichert werden solle.
Gröhe hatte im November angekündigt, die Empfehlungen der EMA genau zu prüfen und die EU-Entscheidungsfindung weiter zu verfolgen. Nachdem er lange strikt gegen den OTC-Switch gewesen war, lenkte der Minister ein und setzte auf die Apotheker: Ziel sei es, die Beratung für beide Präparate aus einer Hand sicherzustellen.
Der Bundesrat hatte die Regierung zuletzt Ende Mai aufgefordert, die Abgabe der „Pille danach“ in Apotheken ohne Rezept zu ermöglichen. Eigentlich wollte die Länderkammer Druck ausüben und ihre Zustimmung zur Verordnung über die Anerkennung von EU-Rezepten an die Zusage zum OTC-Switch knüpfen. Da es wegen der Verzögerung aber schon Ärger aus Brüssel gab, stimmten die Abgeordneten schließlich doch zu und verabschiedeten zur Pille danach lediglich eine begleitende Entschließung.
Gröhe sperrte sich gegen eine Entlassung des Notfallkontrazeptivums aus der Verschreibungspflicht. Er bezweifelte, dass Apotheker an der Notdienstklappe in ausreichender Weise beraten können. Auch der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sieht keine Notwendigkeit für eine Änderung. Er hält den Gang zum Arzt für zumutbar.
Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hatte dem OTC-Switch im Januar zugestimmt. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates hatte bereits Ende Oktober 2013 empfohlen, die Pille danach aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Der Bundesrat stimmte dieser Empfehlung zu.
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