Nach der Entscheidung der EU-Kommission zu EllaOne (Ulipristal) sitzen die Apotheker zwischen den Stühlen. Die Brüsseler Behörde hat das Präparat zwar freigegeben, laut der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) unterliegt der Wirkstoff aber noch der Rezeptpflicht. Während das Bundesgesundheitsministerium verlauten ließ, der OTC-Switch gelte ab sofort, hält die ABDA die AMVV für rechtsgültig und damit bindend für die Apotheker.
Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), sagte: „Die Entscheidung der EU-Kommission ist grundsätzlich auch für Deutschland bindend. Die ‚Pille danach‘ wird es deshalb bald auch in deutschen Apotheken rezeptfrei geben. Allerdings nicht ab sofort, da die Entscheidung erst in deutsches Recht überführt werden muss.“ Ein genauer Termin, ab wann EllaOne rezeptfrei verfügbar sein werde, stehe bislang ebenso wenig fest wie mögliche Detailregelungen zur Abgabe, so Kiefer.
Anders sieht es nicht nur das BMG, sondern auch Hersteller HRA Pharma. Das Unternehmen hatte sich mit dem zuständigen Regierungspräsidium Arnsberg darauf verständigt, die Veröffentlichung des Kommissionsbescheids abzuwarten. Bislang wurde der nicht publiziert, sondern lediglich eine Pressemitteilung der Kommission.
Der EU-weite OTC-Switch stellt die Beteiligten vor neue Herausforderungen. Ob das Präparat auch dann rezeptfrei abgegeben werden dürfe, wenn die AMVV noch nicht geändert sei, sei noch nie ausdiskutiert worden, erklärt Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer des Bereichs Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH).
Bisher habe es erst drei Fälle gegeben, in denen die EU-Kommission die Rezeptpflicht für Arzneimittel aufgehoben habe – Alli (Orlistat), Pantozol control (Pantoprazol) und Nexium Control (Esomeprazol). „Und keines dieser Produkte war so aufgeladen wie EllaOne“, so Kroth. Die Entscheidung galt jeweils sofort: Nycomed hatte sich durch den zentralen Switch von Pantozol control einen Vorsprung vor den Generikaanbietern erarbeitet.
Auch diesmal sei von der EU-Entscheidung nur EllaOne betroffen, betont der BAH-Geschäftsführer. Der Wirkstoff, der allerdings noch nicht generisch ist, unterliege weiterhin der Verschreibungspflicht, bis die AMVV geändert sei. Bis dahin könnten drei bis sechs Monate vergehen, schätzt er. Zunächst müsse formal der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht angehört werden, der in der kommenden Woche tage. Noch steht das Thema laut Kroth nicht auf der Tagesordnung, es könne aber unter dem Punkt Sonstiges diskutiert werden.
Theoretisch kann die Bundesregierung gemäß EU-Richtlinie „den Verkauf, die Lieferung und den Gebrauch von empfängnisverhütenden oder schwangerschaftsunterbrechenden Arzneimitteln verbieten oder einschränken“. So gesehen könnte die AMVV in ihrer jetzigen Form als nationale Sonderregelung weiter gelten. So sieht es die ABDA – nicht aber das BMG: „Nach unserem Verständnis gilt das ab sofort“, so eine Ministeriumssprecherin.
Ressortchef Hermann Gröhe (CDU) plant jetzt ohnehin den OTC-Switch für beide Präparate. Dazu muss das BMG einen Verordnungsentwurf vorlegen, über den der Bundesrat abstimmt.
Wie die Apotheker bis dahin auf entsprechende Anfragen reagieren sollen, soll jetzt schnellstmöglich geklärt werden. Gilt die AMVV fort, ist die Abgabe ohne Rezept bis zur Änderung sogar strafbar – könnte aber wegen der klaren Positionierung des BMG ungeahndet bleiben. Verweigern die Mitarbeiter die Abgabe, könnte dies als Verstoß gegen den Kontrahierungszwang gewertet werden.
Bei den Kammern wartet man jetzt auf eine Handlungsempfehlung aus der Jägerstraße. Dort will man noch einmal mit dem BMG Rücksprache halten. Auch im Ministerium unterhalten sich die Experten darüber, wie die Zeit bis Änderung der Verordnung in der Praxis überbrückt werden soll.
Grundsätzlich begrüßt man bei der BAK die Entscheidung zur Pille danach. Die EU folge der wissenschaftlichen Empfehlung der Sachverständigen, wonach das Risiko der Anwendung keine ärztliche Verschreibung erfordere. Die Wirkung der Pille danach sei umso sicherer, je früher sie im Notfall eingenommen werde.
„Ohne Rezeptpflicht könnten wir den Frauen noch schneller weiterhelfen. In den wohnortnahen Apotheken mit ihrem niedrigschwelligen und flächendeckenden Nacht- und Notdienst erhalten Frauen die ‚Pille danach‘ umgehend“, sagt Kiefer. „Die Apotheker werden zur rezeptfreien ‚Pille danach‘ kompetent beraten, um die größtmögliche Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern.“
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