Niedrigdosiertes Cortison bei Langzeitanwendung verträglich Nadine Tröbitscher, 16.08.2023 12:06 Uhr
Heißhunger, Gewichtszunahme, Bluthochdruck und Osteoporose sind nur einige der Nebenwirkungen, die Patient:innen mit der Einnahme von Glucocorticoiden verbinden. Mit Recht? Das haben Forschende untersucht. Wird niedrigdosiertes Cortison zur Langzeittherapie bei rheumatoider Arthritis eingesetzt, fallen die unerwünschten Wirkungen Bluthochdruck und Gewichtszunahme moderat aus.
Hierzulande leiden laut der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie bis zu 800.000 Menschen an rheumatoider Arthritis. Zur Behandlung kommen unter anderem Glucocorticoide zum Einsatz. Doch ein dauerhafter Einsatz wird gemäß aktueller medizinischer Leitlinien nicht empfohlen. Dabei treten die bekannten Nebenwirkungen in der Regel zu Therapiebeginn bei der Gabe von hohen Dosen auf. Für niedrigdosiertes Cortison als Langzeitgabe gibt es jedoch nur wenige Daten. Doch eine aktuelle Studie der Berliner Charité zeigt: Niedrigdosiertes Cortison kann auch zur Langzeitbehandlung eingesetzt werden.
Behandlung über zwei Jahre
Wissenschaftler:innen der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité haben überprüft, wie sich eine dauerhafte Einnahme von Glucocorticoiden auf Patient:innen mit der Diagnose rheumatoide Arthritis auswirkt. „So genau wissen wir also gar nicht, wie stark die Nebenwirkungen bei niedrig dosierten Cortison-Präparaten sind“, heißt es. Um dies zu ändern, analysierten die Forschenden die Daten von mehr als 1100 Patient:innen, die über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren entweder ein Placebo, andere Kontrollmedikamente oder niedrigdosiertes Cortison erhielten. Überprüft wurde, wie sich der Blutdruck der Patient:innen sowie ihr Gewicht veränderte.
Das Ergebnis: Niedrigdosiertes Cortison zeigten nach einer Langzeitanwendung von zwei Jahren keine signifikante Erhöhung des Blutdrucks. Der mittlere arterielle Druck stieg in beiden Gruppen um etwa 2 mm Hg an. Bei den meisten Patient:innen änderte sich die Anzahl der blutdrucksenkenden Medikamente nicht. Zudem gab es keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Und auch die Gewichtszunahme hielt sich mit im Schnitt 1,1 kg im moderaten Bereich im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Zwar könnten die Studienergebnisse andere, auch schwerwiegende Nebenwirkungen unter Glucocorticoiden wie Osteoporose, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder ein erhöhtes Infektionsrisiko nicht ausschließen. Es werde jedoch deutlich, dass die Sorge vor einem Blutdruckanstieg und/oder einer Gewichtszunahme nicht länger als Entscheidungskriterium für oder gegen eine Therapie mit niedrigdosiertem Cortison dienen sollte. „Stattdessen sollte die Entscheidungsfindung eher die anderen Nebenwirkungen in den Blick nehmen.“
Die Forschenden wollen nun Daten zum Osteoporoserisiko unter niedrig dosiertem Cortison sammeln.
Glucocorticoide unterliegen dem zirkadianen Rhythmus – die maximale Produktion erfolgt in den Morgenstunden, während die Produktion in der Nacht nur minimal ist. Die Steroidhormone wirken intrazellulär über Glucocorticoid-Rezeptoren im Zytoplasma und beeinflussen vor allem den Glucosestoffwechsel im Körper. Sie werden in der Nebennierenrinde gebildet.