Bayers zweiter Kandidat?

Niclosamid – Wurmmittel gegen Covid-19

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Berlin -

Der einst von Bayer auf dem Markt gebrachte Wirkstoff Niclosamid könnte ein neuer möglicher Wirkstoffkandidat im Kampf gegen Covid-19 sein. Unter dem Namen Yomesan wurde das Antihelminthikum 1959 auf den Markt gebracht. Somit ist das Bandwurmmittel das zweite Präparat des Pharmakonzerns, das als Arzneimittel gegen Sars-CoV-2 in Betracht gezogen werden könnte. Das ebenfalls vor 60 Jahren auf den Markt gebrachte Malariamittel Resochin wird akutell in mehreren Studien auf eine Wirksamkeit gegen das Coronavirus geprüft. Studien mit Niclosamid könnten folgen.

Forscher der Berliner Charité nehmen aktuell einen weiteren Wirkstoffkandidaten – vorerst theoretisch – ins Visier. Niclosamid, enthalten im Antihelminthikum Yomesan (Bayer), könnte laut Überlegungen der Wissenschaftler wirksam gegen Sars-CoV-2 sein. Das Bandwurmmittel verstärkt die körpereigene Immunantwort der Zelle und könnte somit die Virusvermehrung im Organismus hemmen. Ähnlich wie beim natürlichen Wirkstoff Spermidin, könnte auch diese Autophagie-fördernde Substanz die Virusvermehrung reduzieren. Zu Spermidin veröffentlichten die Virologen Dr. Marcel Müller und Professor Dr. Christian Drosten, (beide Institut für Virologie an der Berliner Charité) und Dr. Nils Gassen (Universitätsklinikum Bonn) bereits erste Ergebnisse. In Laborversuchen konnte die Vermehrung des Virus ausreichend gehemmt werden, sodass die Wissenschaftler die Genehmigung für eine klinische Studie beantragt haben.

Autophagie als Wirkmechanismus

Die Autophagie dient grob gesagt der Zellreinigung. Bei dem intrazellulären Prozess wird beschädigtes Zellmaterial abgebaut. Neben Proteinen werden auch Teile von defekten oder veralteten Zellorganellen beseitigt. Die Autophagie stellt einen elementaren Bestandteil der zellulären Qualitätskontrolle dar. Ohne diesen Prozess wäre die Zelle nicht funktionsfähig. Der Vorgang ist zudem wichtig für die körpereigene Immunantwort. Dringen Krankheitserreger oder Fremdeiweiße in die Zellen ein, so können sie unter anderem durch Autophagie abgebaut und unschädlich gemacht werden.

Abbau beschleunigen

Der Prozess der Autophagie lässt sich durch bestimmte Wirkstoffe beschleunigen. Am Anfang der Autophagie-Kette steht das Molekül Beclin-1. Was Wissenschaftler bisher wissen: Sars-CoV-2 scheint in die Kettenreaktion einzugreifen – die Autophagie wird gestört, der Virus kann sich in der Zelle vermehren. Das Bandwurmmittel Niclosamid greift auf einer vorgelagerten Ebene der Autophagie-Kaskade ein und blockiert ein Molekül, das Skib-2 heißt. Niclosamid ist somit fähig, das Beclin-1 zu stabilisieren. Es kommt zu einer Verstärkung der Autophagie. Die Vermutungen der Forscher: Der Arzneistoff hemmt das Viruswachstum in der Zelle.

Yomesan – Niclosamid

Yomesan ist wirksam gegen Schweine-, Rinder-, Fisch- und Zwergbandwürmer. Es kann bereits ab Geburt gegeben werden. Andere Antihelminthika wie Pyrantel (Helmex) oder Pyrvinium (Molevac) dürfen erst ab sechs Monaten beziehungsweise einem Jahr gegeben werden. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu anderen Wirkstoffen, die gegen Würmer eingesetzt werden, besitzt Niclosamid keine Kontraindikationen. Lediglich das dritte Trimenon sowie die Stillzeit stellen Gegenanzeigen dar. Auch das Wechselwirkungsprofil ist übersichtlich – in der Fachinformation wird nur Alkohol genannt. Zu den aufgeführten Nebenwirkungen gehören Schwindel und Benommenheit, allergische Hautreaktionen und Cyanose. Die Häufigkeit der unerwünschten Arzneimittelwirkungen ist nicht angegeben.

Innerhalb der Behandlung von Bandwürmern wirkt der Arzneistoff lokal und geht in direkte Wechselwirkung mit dem Skolex (spezielle Struktur am Vorderende des Tieres mit dessen Hilfe er sich an die Darmlumen anheftet) des Wurmes. Der Wirkstoff hemmt die oxidative Phosphorylierung in den Mitochondrien des Parasiten. Zunächst stirbt das Skolex ab, in der Folge der Halteapparat des Wurmes – die Parasiten können mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Nach oraler Gabe konnten bis zu 25 Prozent des Wirkstoffes im Urin nachgewiesen werden – diese Werte können als Mindestmaß der Resorption herangezogen werden.

Resochin – Chloroquinphosphat

Resochin wurde zur Therapie und zur Prophylaxe von Malaria angewendet. Darüber hinaus hatte das Arzneimittel die Zulassung zur Behandlung des systemischen Lupus erythematodes sowie der chronischen Polyarthrtitis einschließlich der juvenilen Form. Für Chloroquin gibt es eine sogenannte kumulative Dosis, das bedeutet, dass die Einnahme nur bis zu einer definierten Gesamtdosis erfolgen durfte. Danach musste die Therapie abgebrochen oder umgestellt werden. Mittlerweile ist Resochin nur noch in Pakistan auf dem Markt. Aufgrund der aktuellen Ergebnisse in Bezug auf Covid-19 wurde die Produktion des Medikamentes wieder hochgefahren. Die erste Anfrage sei bereits im Februar gekommen, erklärt der Standortleiter in einer Mitteilung von Bayer.

Nun startet Bayer eine Chloroquin-Studie – gemeinsam mit einem kanadischen Medizinforschungsinstitut soll bei 6000 Patienten die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Malariamittels in Kombination mit Azithromycin untersucht werden. „Eine ambulante Studie wird untersuchen, ob durch die Kombination von Chloroquin mit Azithromycin ein Klinikaufenthalt aufgrund einer Krankheitsverschlechterung verhindert werden kann“, erklärt PHRI-Manager Salim Yusuf. Eine andere Studie werde prüfen, ob sich durch die Kombination von Chloroquin mit Azithromycin und Interferon Beta-1b eine Verlegung auf die Intensivstation, notwendige Beatmungsmaßnahmen oder der Tod verhindern ließen. Derweil wurden andere Chloroquin-Studien aufgrund einer hohen Anzahl von Todesopfern abgebrochen.

Bei einer brasilianischen Studie erhielten die Probanden eine hohe Dosis von 12 g innerhalb von zehn Tagen.

 

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