Antibiotikaresistenzen

Bakterien lähmen statt töten Deniz Cicek-Görkem, 18.08.2017 12:16 Uhr

Berlin - 

Der Kampf gegen Antibiotika-resistente Keime geht weiter: Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben zusammen mit weiteren Kollegen eine Methode entdeckt, die die Erreger bewegungsunfähig macht. So können sie nicht in den menschlichen Körper eindringen und infektiös wirken. Dies könnte ein neuer Therapieansatz sein. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „PLOS Biology“ veröffentlicht. 

Die Antibiotikaresistenzentwicklung hat nach dem Robert Koch-Institut (RKI) zwei entscheidende Grundlagen: Zum Einen sind resistente Erreger und übertragbare Resistenzgene vorhanden. Zum Anderen wird aufgrund der eingesetzten Antibiotika ein Selektionsdruck zugunsten dieser Keime ausgeübt. Eine Vielzahl der humanpathogenen Bakterien spricht bereits nicht mehr auf die gängigen Arzneistoffe an, was die Therapie zunehmend erschwert.

Viele Bakterien bilden Flagellen aus, die der Fortbewegung dienen. Die Ausbildung eines neuen Flagellums beruht auf der Anlagerung verschiedener Proteine in der Zellmembran zu einer Pore, die auch gleichzeitig Bestandteil eines spezifischen Proteintransportsystems Typ-III-Sekretionssystem (T3SS) ist. Dieses System ähnelt der Struktur der molekularen Spritzen, die viele Keime haben um Giftstoffe in die Wirtszellen zu bringen.

T3SS dient der Sekretion bakterieller Proteine, die es den Bakterien ermöglicht, Wirte zu infizieren. Sowohl Flagellen als auch die Giftspritzen sind notwendig, damit die Erreger eine Infektion hervorrufen. „Gelänge es, diese Werkzeuge auszuschalten, wären die Bakterien für den Menschen harmlos“, sagt Dr. Marc Erhardt, Leiter der Nachwuchsgruppe „Infektionsbiologie von Salmonellen“ am HZI.

Das Problem der Antibiotikaresistenzen möchten Forscher des HZI in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Osnabrück, des Max Planck-Instituts für Infektionsbiologie, der Universität Tübingen und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung lösen, in dem sie die Proteine hemmen, die an der Ausbildung der Flagellen beteiligt ist. Die Aufgaben dieser Proteinstrukturen waren bislang unbekannt.

Die Wissenschaftler markierten die Proteine mit fluoreszierenden Substanzen, um die Bewegungsabläufe zu beobachten. In Ihre Studie zog die Arbeitsgruppe um Dr. Marc Erhardt die gramnegativen Salmonella enterica heran, die zwei Membranen besitzen und aufgrund dieser Eigenschaft besonders widerstandsfähig sind.

Der Grundkörper der Flagellen wird mithilfe von sechs zytoplasmatischen Proteinen (FliH/I/J/G/M/N) und sieben Membranproteinen (FlhA/B, FliF/O/P/Q/R) geformt. Mithilfe der Farbstoffe ist den Forschern aufgefallen, dass sich das Protein „FliO“ im Bakterium frei bewegt und nur während der Ausbildung einer neuen Pore an die jeweilige Stelle wandert. Dort fördert es die Ausbildung des FliP-FliR-Komplexes, was für den Aufbau einer funktionalen Pore erforderlich ist.

In einem Versuch blockierten die Forscher die genetische Information für FliO dieser Erregerart. Sie fanden heraus, dass die Bakterien keine funktionsfähigen Poren und damit keine Geißeln mehr bilden konnten. „Da das Protein FliO selbst kein Bestandteil der Pore ist, arbeitet es offenbar wie ein Organisator: Es hilft anderen Proteinen, sich korrekt aneinanderzulagern und so die Pore aufzubauen“, sagt Dr. Marc Erhardt vom HZI. „Diese Funktion von FliO war bislang nicht bekannt“. In weiteren Experimenten konnte zwar gezeigt werden, dass das das Protein FliP auch ohne FliO Komplexe ausbildet. Allerdings waren diese nicht funktionsfähig und wurden im Anschluss entsorgt.

Die Wissenschaftler sehen in den Studienergebnissen einen neuen Ansatzpunkt in der Erforschung neuer Wirkstoffe gegen bestimmte humanpathogene Keime wie Escherichia coli, Pseudomonaden sowie Campylobacter und Helicobacter. Diese Erreger sind dafür bekannt, gastrointestinale Infektionen hervorzurufen.

Künftig könnten Substanzen entwickelt werden, die die Bewegungsfähigkeit des Proteins FliO hemmen und so Infektionen entgegen treten. „Ein Wirkstoff, der zum Beispiel die Porenbildung verhindert, wäre gleich ein doppelter Erfolg“, sagt Erhardt. „Er würde Bakterien treffen, die Flagellen ausbilden, und auch solche, die molekulare Spritzen einsetzen.“ Zudem hätte dieser potenzielle Arzneistoff auch den Vorteil, dass die Erreger nicht dem Druck ausgesetzt wären, Resistenzen entwickeln zu müssen. Außerdem würden so „gute“ Bakterien im Körper erhalten bleiben.