Neuer Hemmstoff gegen bakterielle Biofilme Deniz Cicek-Görkem, 06.04.2018 14:54 Uhr
Zu den Problemen bei der Bekämpfung bestimmter Erreger wie Pseudomonas aeruginosa gehört, dass sie in sogenannten Biofilmen lange überdauern können. Das erschwert die medikamentöse Therapie, da die Penetration des Arzneistoffs erschwert ist und damit die Bakterien nicht erreicht werden können. Der ernüchternde Kampf gegen Antibiotikaresistenzen geht nun in eine neue Runde: Wissenschaftlern des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) ist es nun mit einem selbst entwickelten Molekül gelungen, die Biofilmbildung bei Pseudomonas zu unterdrücken. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im „Journal of the American Chemical Society“.
Das gramnegative Bakterium P. aeruginosa ist einer der bekanntesten Krankenhauskeime, der alle Organe des Menschen sowie Implantate befallen kann. Der Keim ist bekannt dafür, häufig Resistenzen gegen gängige Antibiotika aufzuweisen. Ein Grund ist, dass er in dichten Verbünden überleben kann. Wenn sich die Pseudomonaden in einem Film erst einmal zusammengelagert haben, ist eine Bekämpfung fast unmöglich, da die einzelnen Bakterien vor dem Immunsystem und Medikamenten geschützt sind. Die Schleimschicht wird ausgebildet, wenn die Erreger vorher über Signalstoffe miteinander kommuniziert haben.
Bei der Ausbildung von Biofilmen spielen Lektine eine Schlüsselrolle. Diese Proteine werden von den Erregern freigesetzt und binden außerhalb der Bakterienzellen an Kohlenhydrate. In der Folge vernetzen sie die Zuckermoleküle zu einer Matrix und helfen den Pseudomonaden, sich am Gewebe des infizierten Wirtes anzuheften und dort eine dichte Kolonie auszubilden. Lektine spielen zudem eine Rolle bei der Kommunikation und Interaktion von Zellen und Organismen. „Wenn es gelingt, die Zuckerbindestelle der Lektine zu blockieren, kann Pseudomonas keinen Biofilm mehr bilden und wird für Medikamente empfänglich“, sagt Dr. Alexander Titz vom HIPS, der die Nachwuchsgruppe „Medizinische Chemie von Naturstoffen“ des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) leitet.
Die Arbeitsgruppe um Titz hat in Zusammenarbeit mit Kollegen den Abteilungen „Chemische Biologie“ des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und „Wirkstoffdesign und Optimierung“ des HIPS eine Substanz entwickelt, das bei Labortieren auch oral bioverfügbar war. Das Ausgangsmolekül war Mannose, ein Epimer der Glucose, das eines der natürlichen Bindungspartner des Lektins LecB ist. Das sogenannte Glykomimetikum mit einer Sulfonamid-Struktur bindet hochspezifisch an LecB und blockiert es.
„Wir haben uns die dreidimensionale Molekülstruktur des Komplexes von LecB mit Mannose angeschaut und darauf basierend ein kleines Molekül entworfen, das ähnliche Bindeeigenschaften aufweisen sollte“, erklärt Titz. Die Struktur dieses Moleküls wurde Schritt für Schritt optimiert, sodass es nun ausreichend lange an LecB binden kann und auch gegenüber abbauenden Enzymen des Körpers stabil ist. Der entscheidende Vorteil des neuen Moleküls sei vor allem seine geringe Größe: „Bisher waren Lektinhemmstoffe große Moleküle mit sehr hohem Gewicht, die entgegen der erwünschten Wirkung die Biofilme sogar teilweise stabilisiert haben, weil sie die Funktion der Zuckermoleküle übernommen haben.“ In Zellkulturexperimenten konnten die Forscher nachgewiesen, dass kleine Moleküle dies nicht können. „Sie hindern die Pseudomonaden tatsächlich daran, einen Biofilm zu bilden.“
Versuche zur Darreichungsform haben die Wissenschaftler an Mäusen durchgeführt: Eine Gruppe erhielt den neuen Wirkstoff in intravenöser, die andere Gruppe in oraler Form. Anhand von Blut- und Urinanalysen konnten sie beobachten, dass die Substanz auch bei oraler Einnahme resorbiert und im Körper verteilt wurde. „Das ist ein wesentlicher Vorteil kleiner Moleküle, denn bisher waren Lektinhemmstoffe zu groß, um oral eingenommen zu werden – diese müssten immer injiziert werden“, so Titz.
Pseudomonaden können bei immungeschwächten Personen sehr gefährlich werden, da alle Organe des Körpers infiziert und so beispielsweise Lungenentzündungen, Sepsis oder chronische Wundinfektionen verursacht werden können. Das vielversprechende Molekül müsste nun in weiteren Studien getestet werden, um klinisch zur Anwendung zu kommen.