Trotz einiger Studien in der Vergangenheit gilt Paracetamol in der Schwangerschaft als sicher: Es ist das Mittel der Wahl bei Schwangeren mit leichten bis mittelstarken Schmerzen. Eine weitere Studie zeigt nun erneut, dass das Analgetikum möglicherweise Auswirkungen auf das spätere Verhalten der Kinder haben könnte. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Paediatric and Perinatal Epidemiology“ veröffentlicht.
Die Behandlung von Schwangeren kann unter Umständen schwierig sein, da es zahlreiche kontraindizierte Wirkstoffe gibt. Bei Schmerzmitteln ist es in der Regel jedoch einfach: Denn Paracetamol kann während der gesamten Schwangerschaft bei leichten bis mittelstarken Schmerzen eingesetzt werden. Auch wenn der Wirkstoff plazentagängig ist, ist Experten zufolge keine Fehlbildung beim Ungeborenen zu erwarten. Verdachtsmomente wie Förderung von Asthma oder Hodenhochstand konnten bisher nicht vollständig bestätigt werden, stehen aber weiter zur Diskussion. Jede zweite Frau nimmt während der Schwangerschaft Schmerzmittel ein, 86 Prozent der Frauen bevorzugen den Wirkstoff Paracetamol. Generell sorgen die rezeptfreie Verfügbarkeit sowie der hohe Bekanntheitsgrad für eine hohe Rate an Selbstmedikation.
Die nun publizierte Beobachtungsstudie zeigt, dass die Einnahme des Analgetikums allerdings mit späteren Verhaltensstörungen der Kinder assoziiert war. Ein Zusammenhang mit kognitiven Beeinträchtigungen und Gedächtnisstörungen konnte jedoch nicht hergestellt werden.
Forscher der Universität Bristol führten eine gründliche Analyse durch, nachdem einige Studien – unter anderem die „Avon Longitudinal Study of Parents and Children“ (ALSPAC) in den 90er-Jahren – bereits auf Verbindungen zwischen der Einnahme von Paracetamol und der Entwicklung von Verhaltensstörungen wie ADHS und Autismus hinwiesen. Die Forscher ermittelten zunächst bestimmte Faktoren, die die Einnahme von Paracetamol beeinflussen: Dazu zählen unter anderem akute Erkrankungen wie Erkältungen, chronische Vorerkrankungen wie Migräne, der Lebensstil und soziale Aspekte. Diese Aspekte wurden für die weitere Phase der Studie als potenzielle Störfaktoren eingestuft.
Anschließend analysierten die Forscher die Auswirkungen des Analgetikums auf die Entwicklung der Kinder. Während der ALSPAC-Studie waren die Kinder mehrfach untersucht worden, unter anderem mit Intelligenztests und Fragebögen der Eltern und Lehrer zum Verhalten und eventuellen Auffälligkeiten. Zunächst assoziierten die Forscher von 135 Einzelaspekten im Bereich Kognition, Temperament und Verhalten 56 mit der Einnahme von Paracetamol, nach der Berücksichtigung der Störfaktoren blieben noch zwölf Endpunkte übrig. Heraus fielen unter anderem die Faktoren Kognition und Gedächtnis. Demnach war die Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft nicht mit einem niedrigeren Intelligenzquotienten der Kinder verbunden.
Auffällig waren jedoch die Zusammenhänge im Bereich Verhalten und Temperament: Die Kinder, die im Mutterleib Paracetamol ausgesetzt waren, zeigten in der Analyse später häufiger ein hyperaktives oder weniger aufmerksames Verhalten. Im Alter von zwei Jahren zeigten sie ein geringeres Durchhaltevermögen, im Alter von sechs Jahren waren sie weniger flexibel und im Alter von drei bis vier Jahren wirkten sie auf Eltern und Erzieher hyperaktiver und weniger aufmerksam. Außerdem fiel beim durchgeführten IQ-Test im Alter von acht Jahren eine erhöhte Ablenkbarkeit auf.
Die Beobachtungsstudie kann nicht beweisen, dass diese Zusammenhänge eindeutig auf die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft zurückzuführen sind. Möglich ist auch, dass die Erkrankungen, die zur Einnahme des Analgetikums führten, für die Störungen verantwortlich sind oder andere Aspekte Einfluss nehmen. Bereits 2014 sorgte eine Metaanalyse von Professor Dr. Kay Brune für Schlagzeilen und Aufruhr: Der ehemalige Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Erlangen stellte einen Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Einnahme von Paracetamol in der Schwangerschaft und dem Risiko, später an ADHS, Hodenhochstand oder Asthma zu erkranken, her.
Experten untersuchten die Studien damals und kamen zum Schluss, dass die Ergebnisse nicht ausreichend seien, um eine Indikationseinschränkung für Paracetamol auszusprechen. Beispielsweise lägen in einer Studie aus der Gesamtkohorte der Schwangeren nicht einmal ein Sechstel aller Entwicklungsdaten der Kinder bis zu drei Jahren vor. Zudem basierten die Diagnosen allein auf den Befragungen der Eltern, die betroffenen Kinder seien keiner ärztlichen Untersuchung unterzogen worden.
Vor drei Jahren lieferte eine Kohortenstudie spanischer Forscher ähnliche Ergebnisse: Die Wissenschaftler hatten für ihre Studie 2644 schwangere Frauen rekrutiert und in der 12. sowie 32. Schwangerschaftswoche interviewt. Dabei wurden die Probandinnen befragt, ob sie Paracetamol nie, selten oder häufig anwendeten. Im Alter von einem Jahr sowie fünf Jahren wurde dann die neuropsychologische Entwicklung der Kinder mit drei verschiedenen Tests untersucht.
Fazit: Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft Paracetamol einnahmen, hatten ein höheres Risiko für Hyperaktivität und Impulsivität. Sogenannte Autismus-Spektrum-Störungen mit verzögerter sozialer Entwicklung traten bei Jungen häufiger auf, deren Mütter in der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen hatten. Die Effekte waren umso ausgeprägter, je häufiger das Schmerzmittel zum Einsatz kam: Am schlechtesten schnitten Kinder von Müttern mit dauerhaftem Paracetamol-Gebrauch ab.
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