Nichtmedikamentös bleibt Basis

Neue Nationale Versorgungsleitlinie Diabetes Alexandra Negt, 01.04.2021 14:40 Uhr

Die zweite Auflage der Nationalen Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes wurde als Teil eines späteren Gesamtdokumentes veröffentlicht. Foto: Syda Productions/shutterstock.com
Berlin - 

Die neue Auflage der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes ist erschienen. In den beiden Kapiteln „Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels“ und „Partizipative Entscheidungsfindung und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen“ wird die bestmögliche sektorenübergreifende Versorgung von Diabetikern beschrieben. Basis der Therapie bleiben weiterhin die nichtmedikamentösen Maßnahmen.

In Deutschland leben rund acht Millionen Menschen mit Diabetes. Die Erkrankung kann unbehandelt oder unzureichend behandelt schwerwiegende Folgen haben. Zu den Begleiterkrankungen gehören beispielsweise das diabetische Fußsyndrom, Netzhautkomplikationen, Nierenerkrankungen, kardiovaskuläre Beeinträchtigungen, Neuropathien und psychische Symptome. Viele dieser Spätfolgen können durch eine erfolgreiche Therapie gemildert werden. Die dauerhafte Lebensumstellung muss für die Patienten zur Gewohnheit werden. Auch die neue Nationalen Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes weist darauf hin, dass Medikamente alleine keine adäquate Diabetes-Therapie darstellen.

Nichtmedikamentöse Basis

Auch in der aktualisierten Fassung stellt die nichtmedikamentöse Behandlung die Basis eines Diabetes dar. Hierzu zählen neben speziellen Schulungen zum Krankheitsbild auch ein individuelles Gewichtsmanagement, eine Ernährungstherapie und die körperliche Bewegung im Alltag. Regelmäßige Spaziergänge oder kleine Radtouren reichen häufig schon aus, um in einem ersten Schritt eine Verbesserung der Blutzuckerwerte zu erfahren.

Gemeinsame Therapieziele

Generell gilt, dass Therapieziele nicht über Nacht erreicht werden können und nur in Absprache und mit Zustimmung des Patienten erreicht und dauerhaft gehalten werden können. Häufiger als alle drei bis sechs Monate sollte das Erreichen der Therapieziele nicht kontrolliert werden. Werden die Ziele wiederholt nicht erreicht, gilt es herauszufinden, woran es liegt. Die individuellen Ziele sollten in drei Kategorien eingeteilt werden: Übergeordnete Lebensziele, funktionsbezogene Ziele (Gehstrecke verlängern) und krankheitsbezogene Ziele (z.B. Schmerzen lindern). Nach dem „Top-down-Ansatz“ sollte im Beratungsgespräch mit den übergeordneten Lebenszielen begonnen werden. Diese Unterteilung und strukturierte Vorgehensweise hilft vielen Patienten dabei, die Therapie fortlaufend wahrzunehmen.

Ursachenforschung

Erreicht ein Patient die Therapieziele nicht, so sollten diese auf Alltagstauglichkeit überprüft werden. Nur, wenn der Patient die geforderten Maßnahmen auch umsetzen kann, können die Ziele erzielt werden. Oftmals geht Diabetes einher mit Adipositas. Das Übergewicht belastet Patienten unterschiedlich stark, sodass eine psychische Komponente in die Beratung miteinfließt. Die Patienten sollten regelmäßig motiviert werden. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass auf die dauerhafte Senkung der Blutzuckerwerte allein durch Änderung der Lebensgewohnheiten hingewiesen wird – ganz nach dem Motto „Noch ist es nicht zu spät“. Die Leitlinie weist darauf hin, dass die Gründe für ein Nicht-Erreichen von individuellen Therapiezielen sowohl auf Seite der Patient:innen, als auch auf Seite der Behandler:innen liegen können.

Wenn Medikamente, dann individuell

Erst nach Ausschöpfung der nichtmedikamentösen Maßnahmen sollte die Gabe von Medikamenten in Betracht gezogen werden. Die Patienten sollten auch bei medikamentöser Unterstützung angehalten sein, ihre umgestellten und angepassten Gewohnheiten beizubehalten. Vor dem Beginn der medikamentösen Therapie sollten neue individuelle Therapieziele mit dem behandelnden Arzt vereinbart werden. Als Basistherapie kommt Metformin zum Einsatz. Erst bei einem erhöhten Risiko für diabetisassoziierte kardiovaskuläre oder renale Ereignisse sollte da Biguanid mit einem weiteren Präparat kombiniert werden. Neben SGLT2-Hemmern wie Dapagliflozin (Forxiga, AstraZeneca) und Empagliflozin (Glyxambi, Boehringer Ingelheim) stehen GLP-1-Rezeptoragonisten wie Dulaglutid (Trulicity, Lilly) und Semaglutid (Ozempic, Novo Nordisk) zu Verfügung. Die Gabe von Insulinen sollte im Allgemeinen nicht zu Therapiebeginn erfolgen. Einige Ausnahmen gibt es dennoch. „Je nach Ausprägung der Insulinsekretionsstörung kann ein initialer oder frühzeitiger Einsatz einer Insulintherapie notwendig sein“, so die Leitlinie.

Laut Leitlinie sollte die Indikation für eine Insulintherapie in folgenden Fällen geprüft werden:

  • bei Nichterreichen des individuellen Therapieziels bei gleichzeitiger Ausschöpfung der nichmedikamentösen und medikamentösen Maßnahmen
  • bei stark eingeschränkter Nierenfunktion
  • bei metabolischen Entgleisungen
  • bei Gabe von sogenannten diabetogenen Medikamenten wie Glukokortikoiden