Die S3-Leitlinie „Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen“ wird überarbeitet: Die Deutsche Schmerzgesellschaft (DGSS) hat in Zusammenarbeit mit Experten aus 22 Fachgesellschaften verschiedene Änderungen diskutiert. Bis zur endgültigen Fertigstellung bleibt jedoch die aktuelle Version gültig.
Es ist bereits das zweite Mal, dass die S3-Leitlinie in diesem Bereich aktualisiert wird – im Jahr 2009 wurde sie erstmals veröffentlicht. Nun wurde die Konsultationsfassung der Überarbeitung für Interessierte zur Verfügung gestellt – bis zum 12. Januar kann sie kommentiert werden, bevor eine endgültige Fassung entsteht. Die neue Leitlinie soll der DGSS zufolge vor allem dazu dienen, den möglichen Nutzen und die Risiken der Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen, nicht tumorbedingten Schmerzen zu bewerten.
Das Ziel ist außerdem die Förderung eines verantwortungsvollen Umganges von Ärzten und Patienten mit opioidhaltigen Analgetika in der Langzeitanwendung des chronischen Nicht-Tumorschmerzes. Bisher gibt es keine einheitliche, international anerkannte Definition einer Langzeitanwendung von opioidhaltigen Analgetika. Bei evidenzbasierten Empfehlungen wird in der Leitlinie nun jedoch zwischen einer zeitlich befristeten Anwendung der Opioide unterschieden: Die kurzfristige Anwendung von vier bis zwölf Wochen, mittelfristige Anwendung von 13 bis 26 Wochen und langfristige Anwendung bei mehr als 26 Wochen.
Zudem wurden die Empfehlungen einzelner Indikationsgebiete angepasst – zu den Anwendungsgebieten der Opioide zählen beispielsweise chronische Rückenschmerzen, Arthroseschmerzen, Nervenschmerzen wie die diabetische Polyneuropathie, oder Phantomschmerzen. Neu aufgenommen wurden evidenzbasierte Empfehlungen zum Restless- Legs-Syndrom, Parkinson, traumatischer Trigeminusneuropathie und chronischem Unterbauchschmerz der Frau durch ausgeprägte Verwachsungen oder multilokuläre Endometriose. Die potentiellen Indikationen für Opioide wurden jedoch durch verschiedene Empfehlungen eingeschränkt: So sollen vor Einleitung einer Therapie mit Opioiden die nicht-medikamentösen Therapieoptionen zunächst optimiert und medikamentöse Alternativen in Erwägung gezogen werden. Bei Patienten mit Arthroseschmerzen soll die Anwendung nur dann erfolgen, wenn ein Gelenkersatz nicht möglich oder vom Patienten nicht gewünscht ist, oder nicht-medikamentöse Therapien versagen, beziehungsweise Kontraindikationen anderer Analgetika vorliegen.
Zudem sollen Patienten über potentielle Nebenwirkungen aufgeklärt werden – wie ein erhöhtes Sturzrisiko, sexuelle und endokrine Funktionsstörungen, sowie Atemstörungen. Desweiteren soll der neuen Leitlinie zufolge eine Kombinationstherapie mit Tranquilizern nicht empfohlen werden. Parallel wird derzeit die S3-Leitlinie zur Medikamentenabhängigkeit überarbeitet: In enger Absprache wurden diesbezüglich Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der missbräuchlichen Verwendung von aus medizinischer Indikation verschriebenen Opioiden hinzugefügt.
Ein Grund für die Aktualisierung der Leitlinie ist die Opioid-Epidemie in Nordamerika: Dort kommt es in den vergangenen Jahren zu steigenden Verordnungen von Opioiden, die mit einem Anstieg der missbräuchlichen Verwendung assoziiert sind. In vielen Fällen kam es dadurch zu notfallmäßigen Krankenhausaufnahmen wegen Überdosierungen und Todesfällen mit den verordneten Opioiden. Dies weise auf die Notwendigkeit hin, den Stellenwert von Opioiden in der Therapie von chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen kritisch zu überprüfen, heißt es von Seiten der Experten.
Im Zuge dieser Beurteilung schauten sie sich daher die Entwicklung der Langzeitverordnungen von opioidhaltigen Analgetika für Patienten mit nicht-tumorbedingten Schmerzen in Deutschland an: Im Zeitraum von 2006 bis 2016 gab es einen Anstieg der Einzelverordnungen von 4,2 Prozent auf 4,9 Prozent. Seit 2016 haben die Gesamtverordnungen von opioidhaltigen Analgetika in der deutschen Gesamtbevölkerung jedoch nicht zugenommen. Die Langzeitverordnungen in diesem Bereich sind ebenfalls seit 2012 nicht angestiegen. Demnach kommen die Experten zu der Feststellung, dass es in Deutschland keine Hinweise auf eine Opioidepidemie gibt. Die Prävalenzrate für einen möglichen Missbrauch von aus medizinischer Indikation verschriebenen Opioiden liegt in Deutschland bei etwa einem Prozent – basierend auf selbstberichteten Daten und Krankenkassendaten von stationären Aufenthalten.
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