Die Neufassung des chinesischen Anti-Spionagegesetzes könnte weitreichende Folgen für die Arzneimittelversorgung in Deutschland haben. Drohen bald massive Lieferengpässe? „In diesem Jahr werden sukzessive GMP-Zertifikate ablaufen“, so Volker Bahr, Leiter globale Politik von Medac. „Auch unser Antrag für eine Inspektion in China wurde aus Sicherheitsgründen abgelehnt.“ Man behelfe sich im Moment mit dem Abverkauf von Lagerbeständen. Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) ist entsetzt.
Am 1. Juli vergangenen Jahres trat eine Neufassung des Anti-Spionage-Gesetzes in China in Kraft. Unternehmen, die sonst üblicherweise Wirtschaftsdaten überprüfen, in Datenbanken recherchieren und Statistiken auswerten, könnten sich nun strafbar machen. Das betrifft auch deutsche Pharmaunternehmen: „Wir benötigen sogenannte GMP-Zertifikate, um in China hergestellte Wirkstoffe nach Deutschland zu importieren. Dafür reisen Inspekteure deutscher Behörden nach China“, so Bahr.
Doch der letzte Antrag zur Inspektion wurde aus Sicherheitsgründen abgelehnt. „Das Zertifikat für das Zytostatikum Thiothepa lief Ende 2023 aus. Es kann auch nicht problemlos verlängert werden.“ Denn: Das Zertifikat habe nach sechs Jahren die Gültigkeit verloren, und nun bedürfe es einer neuen Inspektion vor Ort. „Ein Flug nach China wurde aus Unsicherheit abgesagt. Wir haben uns daraufhin schon im Herbst an die zuständige Landesbehörde gewendet und gefragt, ob man das Zertifikat nicht verlängern könne, bis das Problem in China geklärt sei. Auch das wurde abgelehnt“, so Bahr.
Man führe die Diskussion zum Anti-Spionage-Gesetz bereits seit September: „Alle verantwortlichen Behörden wissen Bescheid, inklusive BfArM und BMG. Wir behelfen uns momentan mit dem Abverkauf von Lagerbeständen“, so Bahr. Die Hoffnung: „Die Inspekteure haben die Behörden um einen Diplomatenpass gebeten, um für Sicherheit zu sorgen.“
Im Moment könne das Unternehmen keine Ware aus China beziehen und es sei unklar, wie lange die Verhandlungen zwischen Landes- und Bundesbehörde dazu noch andauern.
Beim BPI bestätigt man die Beobachtungen: „Wir stehen bereits seit vergangenem Jahr mit dem Kanzleramt und insbesondere dem BMWK hierzu in Kontakt. Leider ließ sich die Problematik noch nicht lösen, was tatsächlich zu weiteren zusätzlichen Lieferengpässen führen kann und voraussichtlich wird“, so Sebastian Schütze, Geschäftsfeldleiter Politik und Mitlgied im Beirat Lieferengpässe beim BfArM. „Es ist noch nicht abschließend absehbar, welche Produkte betroffen sein werden. Auch hier zeigt sich, dass die Bundesrepublik, aber auch andere europäische Staaten über viele Jahre eine gewisse Abhängigkeit von bestimmten Regionen entwickelt haben.“
Nach seiner Einschätzung war die potenzielle Wirkung des neuen chinesischen Gesetzes auf die Auditierungen nicht im Sinne der Volksrepublik. „Auch wir appellieren sehr an die deutsche Regierung, hier schnellstmöglich eine Lösung im Sinne der Unternehmen, vor allem aber im Sinne der funktionierenden Versorgungssituation der Patienten zu finden oder voranzutreiben. Zusätzliche Arzneimittelengpässe kann sich niemand leisten. Hierzu ist der BPI aktuell im Austausch mit der Bundesregierung.“
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