In den vergangenen Wochen sind eine ganze Reihe von Präparaten mit neuartigen Wirkstoffen in die Apotheken gekommen: eine Tablette gegen Opioid-induzierte Obstipation, ein Nierenmedikament, drei Krebsmittel sowie zwei weitere Gerinnungshemmer.
AstraZeneca hat seit Anfang August Moventig (Naloxegol) auf dem Markt. Mit dem Präparat kann die Opioid-induzierte Obstipation (OIC) bei Erwachsenen behandelt werden, die auf Laxantien nicht ausreichend reagiert haben. Naloxegol ist in Europa der erste oral einzunehmende periphere µ-Opiodrezeptor-Antagonist in der Indikation.
Empfohlen werden 25 mg einmal täglich, die Filmtabletten à 12,5 und 25 mg kosten 51 Euro (10 Stück), 132 Euro (30 Stück) beziehungsweise 374 Euro (90 Stück). Im Rahmen von vier Studien wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Naloxegol in den beiden Dosierungen untersucht. In der Gruppe, die Naloxegol erhalten hatten, kam es, abhängig von der Dosis, zu einer Steigerung der wöchentlichen Stuhlgänge um 44 beziehungsweise 41 Prozent gegenüber 29 Prozent unter Placebo. Häufigste Nebenwirkungen waren Bauchschmerzen, Diarrhoe und Blähungen sowie Kopfschmerzen.
Obstipation ist eine der häufigsten Nebenwirkungen der Schmerztherapie mit Opioiden. In den USA gibt es seit 2008 als weitereren oral anzuwendenden µ-Antagonisten Entereg (Alvimopan). Hierzulande ist ebenfalls seit 2008 Relistor (Methylnaltrexon) auf dem Markt, das als Injektionslösung eingesetzt wird.
Konkurrenz gibt es für Xarelto (Rivaroxaban, Bayer), Pradaxa (Dabigatran, Boehringer Ingelheim) und Eliquis (Apixaban, Bristol-Myers Squibb/Pfizer): Lixiana (Edoxaban) von Daiichi Sankyo ist indiziert zur Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit Vorhofflimmern (NVAF) mit einem oder mehreren Risikofaktoren. Dazu gehören etwa kongestive Herzinsuffizienz, Hypertonie, Diabetes mellitus, vorherige Schlaganfälle, transitorische ischämische Attacken (TIA) oder ein Alter von über 75 Jahren. Zudem soll Lixiana angewendet werden zur Behandlung von tiefer Venenthrombose (DVT) und Lungenembolie (PE) sowie zur Prävention von rezidivierenden TVT und PE.
Edoxaban ist ein hochselektiver, direkter und reversibler Inhibitor des Faktors Xa. Eine Hemmung dieses Faktors in der Koagulationskaskade reduziert die Thrombinbildung, verlängert die Gerinnungszeit und vermindert das Risiko einer Thrombusbildung.
Die Filmtabletten enthalten 15, 30 oder 60 mg und kosten je nach Packungsgröße zwischen 40 Euro (10 Stück), 92 Euro (28 Stück) oder oder 292 Euro (98 Stück).
Bereits seit 1. Juli ist Lenvima (Lenvatinib) auf dem Markt. Das Präparat ist indiziert für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit progressivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem differenziertem (papillärem/follikulärem/Hürthle-Zell-) Schilddrüsenkarzinom (DTC), das nicht auf eine Radiojodtherapie (RAI) angesprochen hat.
Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 24 mg, entsprechend müssen die Patienten zweimal eine Tablette à 10 mg und einmal eine Hartkapsel à 4 mg einnehmen. Jede Packung à 30 Stück kostet knapp 2700 Euro.
Lenvatinib hemmt verschiedene Tyrosinkinasen, die an der Angiogenese und Tumorproliferation beteiligt sind. Papilläre und follikuläre Schilddrüsenkarzinome sind die am häufigsten auftretenden Formen von Schilddrüsenkrebs. Während die meisten Fälle chirurgisch oder mit Radiojodtherapie heilbar sind, gibt es einen geringen Prozentsatz der Patienten, der nicht auf die Therapie anspricht. Für diese schwer zu behandelnde, lebensbedrohliche und behandlungsrefraktäre Form von Schilddrüsenkrebs gibt es nur begrenzte Behandlungsoptionen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte im März die Zulassung für das Präparat von Eisai empfohlen. Als Orphan Drug wurde Lenvima in einem beschleunigten Verfahren bewertet.
Ein neues Präparat gegen Lungenkrebs gibt es seit Mitte Juli von Novartis: Zykadia (Ceritinib) ist zugelassen bei erwachsenen Patienten zur Behandlung des fortgeschrittenen, Anaplastische-Lymphomkinase(ALK)-positiven, nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC), die mit Crizotinib vorbehandelt wurden.
Ceritinib ist ein Proteinkinase-Hemmer; vor Einleitung der Therapie sollte der ALK-positive NSCLC-Status nachgewiesen sein. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 750 mg alle 24 Stunden. Da die Kapseln 150 mg enthalten, müssen Patienten fünf gleichzeitig nehmen. Die Packung à 40 Stück kosten 9023 Euro.
Die Zulassung wurde an Bedingungen geknüpft, da es bislang noch wenige Daten zu dem Präparat gibt. Der Nutzen für die öffentliche Gesundheit bei sofortiger Verfügbarkeit wiege dennoch schwerer, so die EMA im März. Novartis muss umfassende klinische Daten nachreichen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Leber-Laboranomalien, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Hautausschlag, erhöhtes Kreatinin im Blut, Speiseröhrenerkrankung und Anämie. Die schwerwiegendsten Nebenwirkungen sind Hepatotoxizität, Magen-Darm-Effekte, QT-Intervall-Verlängerung, Bradykardie, interstitielle Lungenerkrankung/Pneumonitis und Hyperglykämie.
Ebenfalls seit 15. Juli erhältlich ist Jinarc (Tolvaptan) von Otsuka. Das Präparat wird angewendet, um die Progression von Zystenentwicklung und Niereninsuffizienz bei autosomal-dominanter polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD) bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) im Stadium 1 bis 3 zu Behandlungsbeginn mit Anzeichen für rasch fortschreitende Erkrankung zu verlangsamen. Die Behandlung muss unter Aufsicht von Ärzten mit Erfahrung in der Behandlung von ADPKD und vollständiger Kenntnis der Risiken, einschließlich der Hepatotoxizität, durchgeführt werden.
Tolvaptan ist ein Vasopressin-Antagonist, der den intrazellulären cAMP-Spiegel verringert und so die Proliferation von Zysten bei ADPKD reduziert. Unter dem Handelsnamen Samsca hat Otsuka den Wirkstoff bereits zur Behandlung von Erwachsenen mit Hyponatriämie als sekundäre Folge des Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH) auf dem Markt.
Im August 2013 hatte der Hersteller Jinarc als Orphan Drug zur Zulassung in der neuen Indikation eingereicht. Die zentrale Studie zeigte, dass die Erhöhung der Rate des Gesamtnierenvolumens (TKV) über drei Jahre signifikant geringer war als bei der Einnahme von Placebo – 2,8 Prozent pro Jahr versus 5,5 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Nierenfunktion verschlechterte, war 61 Prozent geringer als unter Placebo. Das gegenseitige Serum-Kreatinin wurde während der Behandlung um 25 Prozent reduziert. Zudem verlangsamte sich unter Tolvaptan der Rückgang der Nierenfunktion um 32 Prozent im Vergleich zu Placebo, was wiederum relevante Auswirkungen auf den Rückgang der Nierenfunktion hatte. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durst, Polyurie, Nykturie, Pollakisurie. Zudem traten diosynkratische Erhöhungen der Alanin-Aminotransferase auf sowie Aspartat-Aminotransferase (ALT und AST) mit seltenen Fällen von gleichzeitigen Erhöhungen des Gesamt-Bilirubin (BT) auf.
Opdivo (Nivolumab) ist als Monotherapie bei Erwachsenen für die Behandlung des fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanoms indiziert und ebenfalls seit 15. Juli erhältlich. Nivolumab ist der erste PD-1-Antikörper (Programmed Cell Death 1 Protein) und soll unter dem Namen Nivolumab BMS künftig auch bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) eingesetzt werden können. PD-1 wird auf Immunzellen exprimiert; bindet der Rezeptor an bestimmte Liganden auf der Tumorzelle, kommt es zur Inaktivierung. Der Tumor wird nicht angegriffen.
Die empfohlene Dosis beträgt 3 mg/kg Körpergewicht, die alle 2 Wochen intravenös über einen Zeitraum von 60 Minuten verabreicht wird. Die Behandlung sollte so lange fortgesetzt werden, wie ein klinischer Nutzen besteht oder bis die Behandlung vom Patienten nicht mehr vertragen wird. Eine Dosissteigerung oder -reduktion wird nicht empfohlen. Je nach individueller Sicherheit und Verträglichkeit ist möglicherweise ein Aufschieben einer Dosis oder ein dauerhafter Abbruch der Behandlung erforderlich.
Die Behandlung ist mit immunvermittelten Nebenwirkungen assoziiert, darunter Pneumonitis, Kolitis/Diarrhö, Hepatitis Nephritis, Endokrinopathien und Hautausschlag. Patienten sollten engmaschig überwacht werden, mindestens fünf Monate über die letzte Anwendung hinaus. Der Hersteller Bristol-Myers Squibb (BMS) bietet Packungen à 4 und 10 ml an, die 730 beziehungsweise 1800 Euro kosten.
In Kliniken kann Kengrexal (Cangrelor) von The Medicines Company eingesetzt werden. Als P2Y12-Rezeptorantagonist ist der Wirkstoff eine Alternative zum mittlerweile generischen Clopidogrel sowie zu Efient (Prasugrel, Lilly) und Brilique (Ticagrelor, AstraZeneca). Cangrelor ist nach intravenöser Applikation unmittelbar verfügbar und verhindert reversibel die Aktivierung und Aggregation von Thrombozyten.
Damit reduziert Cangrelor thrombotische kardiovaskuläre Ereignisse bei Erwachsenen mit koronarer Herzkrankheit; zugelassen ist der Wirkstoff zunächst für den Einsatz bei perkutanen Koronarintervention (PCI). Die Patienten dürfen vorab keine oralen P2Y12-Hemmer erhalten haben. Kengrexal sollte außerdem gleichzeitig mit Acetylsalicylsäure gegeben werden.
In klinischen Studien wurde Kengrexal bei rund 25.000 Patienten mit Clopidogrel verglichen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind milde und moderate Blutungen und Atemnot. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind schwere und lebensbedrohliche Blutungen und Überempfindlichkeit. Kengrexal ist kontraindiziert bei Patienten mit aktiven pathologischen Blutungen, erhöhtem Blutungsrisiko aufgrund beeinträchtigter Hämostase und/oder irreversiblen Blutgerinnungsstörungen oder mit einer Vorgeschichte von Schlaganfall oder intrakranieller Blutung.
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