Briviact und Alprolix auf dem Markt Dr. Kerstin Neumann, 06.06.2016 14:26 Uhr
Zwei neue Arzneimittel sind im Juni in in den deutschen Markt eingeführt worden. Mit Briviact (Brivaracetam, UCB) steht ab sofort ein neues Antiepileptikum zur Verfügung. Alprolix (Eftrenonacog alfa, Biogen) ist zur Behandlung von Hömophilie B erhältlich. In Kürze könnte auch die Gentherapie Strimvelis zur Behandlung sogenannter „Bubble Babys“ mit dem schweren Immundefekt SCID (Severe Combined Immunodeficiency Disorder), auf den Markt kommen: Die EU-Kommission hat die Zulassung erteilt.
Briviact wird als Zusatzbehandlung fokaler Epilepsieanfälle eingesetzt. Im November hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassung empfohlen. Patienten ab 16 Jahren können die Tabletten in Dosierungen zwischen 10 und 100 mg erhalten. Außerdem wird eine Lösung zur oralen Einnahme sowie eine Injektionslösung angeboten.
Die antikonvulsive Aktivität von Brivaracetam wird vermutlich durch die Interaktion mit dem synaptischen Vesikelprotein 2A (SV2A) hervorgerufen. Der genaue Mechanismus ist bislang nicht bekannt. Brivaracetam ist strukturell verwandt mit Levetiracetam, zeichnet sich aber durch eine höhere krampflösende Aktivität aus.
Briviact reiht sich damit in die Reihe der neueren Antiepileptika ein, die im Vergleich zu den klassischen Wirkstoffen Valproinsäure, Carbamazepin und Phenytoin steigende Bedeutung gewinnen. Außer zur Behandlung fokaler Anfälle werden sie auch bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt. Laut Arzneiverordnungsreport war Lyrica (Pregabalin) mit 76,8 Millionen Tagesdosen (DDD) im vergangenen Jahr das meistverschriebene Antiepileptikum, gefolgt von Levetiracetam mit 65,5 DDD. Beide Wirkstoffe konnten um etwa 10 Prozent gegenüber 2013 zulegen. Valproinsäure wurde mit 55,1 Millionen DDD deutlich weniger verordnet.
Mit Alprolix ist ein neues Präparat zur Behandlung und Prävention von Blutungen bei Hämophilie B ab sofort erhältlich. Das Produkt war in Nordamerika, Japan und Australien bereits zugelassen. Ende Mai erfolgte auch die Zustimmung durch die EU-Kommission. Für die EU-Zulassung hatte Biogen eine zusätzliche klinische Studie der Phase III durchgeführt.
Der rekombinante Faktor IX ist an das Fc-Teil eines Antikörpers gekoppelt, welches den Abbau des Wirkstoffes verzögert. Dadurch muss das Präparat nur einmal wöchentlich oder sogar nur alle zehn Tage appliziert werden. Es gilt als Vertreter einer neuen Generation von Biologicals. Das Prinzip der Kopplung an Antikörper wird bereits seit einiger Zeit verwendet, zur Behandlung der Hämophilie ist dieser Ansatz aber neu.
Vertrieben wird das neue Medikament vom schwedischen Spezialhersteller Sobi. Gemeinsam mit Biogen hatte das Unternehmen das Produkt entwickelt und sich die Vertriebsrechte in Europa, den mittleren Osten und Nordafrika gesichert. Biogen behält die Vermarktungsrechte für Nordamerika.
Strimvelis gilt als erste Gentherapie zur Behandlung einer Immundefizienzerkrankung. Den von SCID betroffenen Kindern fehlt das Gen für das Enzym Adenosindesaminase. Sie besitzen dadurch so gut wie keine körpereigene Abwehr, sodass sie möglichst abgeschirmt von ihrer Umwelt leben müssen. An sich harmlose Keime können für sie eine tödliche Gefahr darstellen. Laut Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) sind weltweit rund 350 Kinder von der Krankheit betroffen, die sich innerhalb der ersten sechs Lebensmonate entwickelt. Wird kein geeigneter Stammzellspender gefunden, verläuft die Krankheit in der Regel innerhalb von zwei Jahren tödlich.
Strimvelis wurde bereits im Jahr 2005 der Orphan-Drug-Status zugesprochen. Bei der Gentherapie werden Stammzellen aus dem Knochenmark der Patienten entnommen, in die das intakte Gen für die Adenosindeaminase übertragen wird. Die so behandelten Zellen werden anschließend wieder zurück verpflanzt. Die Zellen sind dann in der Lage, sich zu verschiedenen Blut- und Immunzellen zu differenzieren. Die Patienten erhalten dadurch lebenslang die Fähigkeit, Lymphozyten zu produzieren, die Infektionen bekämpfen.
Die Therapie mit Strimvelis wurde in einer klinischen Studie mit zwölf Kindern getestet. Alle Patienten sind auch nach siebenjähriger Beobachtungsphase am Leben. Eine andere therapeutische Option außer einer Stammzelltransplantation gibt es bislang nicht.