Sechs Antiinfektiva, fünf Gerinnungshemmer Dr. Kerstin Neumann, 13.01.2016 11:33 Uhr
Der Bereich der Antiinfektiva soll im neuen Jahr weiter wachsen. Unter den Kandidaten für eine Zulassung 2016 befinden sich gleich sechs Substanzen gegen verschiedene Infektionskrankheiten. Hepatitis C ist doppelt vertreten – hier konnten die Pharmakonzerne in der Vergangenheit hohe Preise für ihre Medikamente erzielen. Außerdem stehen fünf weitere Optionen zur Behandlung der Hämophilie in den Startlöchern. Die potenziellen Newcomer für 2016 – Teil 2.
N.N (Bezlotoxumab, MSD): Bezlotoxumab ist ein selektiver humaner monoklonaler Antikörper, der zur Neutralisierung des Clostridium-difficile-Toxins entwickelt wurde. Entsprechend soll es die Clostridium-vermittelte Diarrhoe bekämpfen. Clostridien finden sich natürlicherweise im Darm, können aber durch eine längere Einnahme von Antibiotika in den Vordergrund treten und Entzündugsreaktionen hervorrufen. Besonders im Krankenhaus treten die Infektionen häufig auf.
N.N (Sofosbuvir/Velpatasvir, Gilead): Der US-Konzern will sein Portfolio mit Medikamenten zur Behandlung von Hepatitis C ausbauen und hat den Zulassungsantrag für die Fixkombination Sofosbuvir/Velpatasvir eingereicht. Sofosbuvir ist bereits unter dem Namen Sovaldi als Einzelsubstanz zugelassen. Der Polymerasehemmer greift in den Vermehrungszyklus des Virus vom Genotyop 1 ein und stoppt diesen nach einigen Wochen. Der Genotyp 1 ist in Europa für etwa zwei Drittel aller Hepatitis-Erkrankungen verantwortlich. Der zweite Wirkstoff, Velpatasvir wird bisher noch nicht therapeutisch genutzt. Der NS5A-Inhibitor greift in die Replikationsmechanismen der Virus-RNA ein und verhindert die Vermehrung. Dieser Vorgang ist Genotyp-unabhängig.
N.N (Grazoprevir/Elbasvir, MSD): Eine weitere Kombination aus zwei neuen Wirkstoffen soll in der Therapie von Hepatitis C zum Einsatz kommen. Das noch nicht benannte Medikament richtet sich gegen die Genotypen 1, 3, 4 und 6 und soll einmal täglich oral eingenommen werden. Die Inhaltsstoffe sind direkt antiviral wirkende Substanzen: Grazoprevir hemmt die Proteasen NS3 und NS4A. Elbasvir interagiert mit dem Replikationskomplex NS5A des Virus. Als Fixkombination soll das Produkt einmal täglich eingenommen werden. Die Zulassung wird frühestens im April erwartet.
Gardasil 9 (HPV-Impfstoff, Sanofi Pasteur MSD): Der neue Impfstoff schützt vor neun verschiedenen Typen des Humanen Papillomavirus (HPV), das sind fünf Typen mehr als bislang. Damit könnten 90 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs durch HP-Viren verhindert werden, so der Hersteller. Die Vakzine ist bereits zugelassen für Mädchen und Frauen zwischen 9 und 26 Jahren zur Vorsorge gegen Gebärmutterhalskrebs, Vulva-, Vaginal- und Analkarzinome, die durch die HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 ausgelöst werden. Außerdem schützt der Impfstoff sowohl Mädchen und Frauen als auch Jungen im Alter von 9 und 15 Jahren vor präkanzerösen und dysplastischen Läsionen und Analkrebs durch die HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 sowie vor Genitalwarzen, die durch HPV-Typen 6 und 11 ausgelöst werden.
Xydalba (Dalbavancin, Durata): Dalbavancin gehört wie Vancomycin zu den Glykopeptid-Antibiotika, die die Zellwandsynthese grampositiver Bakterien hemmen und vor allem bei akuten bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen verwendet werden. Das Präparat wird wöchentlich intravenös verabreicht und wirkt auch gegen MRSA-Bakterien. In den USA ist Xydalba bereits seit 2014 zugelassen; es bekam als erstes Antibiotikum den Status „Qualified Infectious Disease Product“. Dadurch erhielt Hersteller Durata einen um fünf Jahre verlängerten Patentschutz.
Orbactiv (Oritavancin, The Medicines Company): Orbactiv (Oritavancin) ist das erste in Einzeldosis zu verabreichende Antibiotikum zur Behandlung akuter bakterieller Haut- und Hautstrukturinfektionen, die durch empfindliche grampositive Bakterien wie MRSA-Keime verursacht werden. Das Glycopeptid hemmt die bakterielle Zellwandsynthese und stört die bakterielle Membranintegrität. Das führt zu einem raschen Zelltod. Die Markteinführung in Europa ist derzeit für die zweite Jahreshälfte 2016 geplant.
Praxbind (Idarucizumab, Boehringer): Das fehlende Antidot zum Thrombininhibitor Pradaxa (Dabigatran) war von Anfang an ein Problem für Boehringer. Mitte Januar soll das Mittel nun in die Krankenhäuser ausgeliefert werden. Idarucizumab zeigt eine sofortige, vollständige und anhaltende Aufhebung der gerinnungshemmenden Wirkung von Dabigatran ohne die Gefahr einer gegensätzlichen Blutgerinnselbildung.
Obizur (Susoctocog alfa, Baxalta): Der rekombinante Gerinnungsfaktor ist indiziert für die Behandlung von Blutungen bei Patienten mit erworbener Hämophilie A. Laut Studiendaten kann die Aktivität von Faktor VIII im Blut wieder auf mehr als 20 Prozent innerhalb von 24 Stunden gesteigert werden. Eine vollständige Kontrolle der Blutung konnte bei 86 Prozent der Patienten erreicht werden. Als einzige Nebenwirkung mit einer Rate von mehr als 5 Prozent wurde eine Antikörperreaktion berichtet. Das Produkt soll zunächst nur von erfahrenen Ärzten eingesetzt werden.
N.N (Albutrepenonacog alfa, CSL Behring): Noch ohne Handelsnamen ist das rekombinante Fusionsprotein aus Faktor IX und Albumin. Der Gerinnungsfaktor besteht aus insgesamt 1018 Aminosäuren und soll, wie die bereits verfügbaren Faktor-VIII–Präparate, Blutungen bei Patienten mit Hämophilie B unterbinden. In der EU hat das Produkt Orphan Drug Status erhalten. Es gilt als Vertreter einer neuen Generation von Biologicals. In den USA ist das Produkt bereits zugelassen.
Alprolix (Eftrenonacog alfa, Biogen): Ebenfalls zur Behandlung von Patienten mit Haemophilie B eingesetzt werde soll Alprolix. Der rekombinante Faktor IX ist an das Fc-Teil eines Antikörpers gekoppelt, welches den Abbau verzögert. Dadurch muss das Präparat nur einmal wöchentlich oder sogar nur alle zehn Tage appliziert werden. Das Produkt ist in Nordamerika, Japan und Australien bereits zugelassen. Für die EU-Zulassung führt Biogen eine zusätzliche klinische Studie der Phase III durch.
Zontivity (Vorapaxar, MSD): Die Zulassung für den Gerinnungshemmer erfolgte bereits im Januar 2015, noch ist das Produkt aber nicht in Deutschland auf dem Markt. Zontivity könnte prophylaktisch bei Patienten nach einem Herzinfarkt eingesetzt werden. Eine Zulassung zur Behandlung von peripheren arteriellen Verschlusskrankheiten (PAVK) wird nach Angaben von MSD derzeit geprüft. Das Produkt könnte dann gleich für beide Indikationen eingeführt werden. Vorapaxar ist ein Antagonist an PAR-1 (Protease-activated receptor-1). Der Rezeptor wird auf Thrombozyten exprimiert und führt bei der Bindung von Thrombin zur Aggregation.
Uptravi (Selexipag, Actelion): Actelion will mit Selexipag (Uptravi) ein neuartiges Medikament zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie (PAH) auf den Markt bringen. Uptravi ist der erste selektive orale Prostacyclin-Rezeptoragonist. Er bindet an den IP2-Rezeptor. Die Zulassung wurde im März 2014 beantragt. Noch liegt keine Entscheidung der EMA vor, Actelion rechnet aber fest mit einer Markteinführung im Laufe des Jahres.
Senshio (Ospemifen, Shionogi): Für Frauen, die unter Vulva- und Vaginalatrophie leiden, könnte das Präparat Senshio des japanischen Herstellers Shionogi bald Abhilfe bringen. Die Rückbildung der äußeren Geschlechtsorgane tritt oft nach der Menopause auf und ist mit starken Beschwerden wie Dyspareunie verbunden. Der Östrogenrezeptor-Modulator kann diese lindern.