Opiate sind stark in ihrer Wirkung – allerdings bringen sie zahlreiche Nebenwirkungen mit sich, die die Therapie erschweren können. Wissenschaftler:innen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) erforschen aktuell eine neue Form von hochwirksamen Analgetika: Statt der Opioid-Rezeptoren soll dabei Adrenalin eine zentrale Rolle spielen.
Bei starken oder chronischen Schmerzen reichen gebräuchliche Analgetika oft nicht aus. Den Betroffenen werden dann stärkere Schmerzmittel, nicht selten Opioide, verordnet. Doch die Einnahme kann neben der Schmerzstillung auch unerwünschte Effekte mit sich bringen: Übelkeit, Obstipation, Schwindel und eine Atemdepression sind nur einige. Hinzu kommt das hohe Abhängigkeitspotenzial der Opiate.
Das Team der FAU forscht daher an Alternativen. Professor Dr. Peter Gmeiner, Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische Chemie der FAU, erklärt, wie die Forscher:innen vorgehen: „Wir konzentrieren uns besonders auf die molekularen Strukturen der Rezeptoren, an die die pharmazeutischen Substanzen andocken“, sagt er. Denn nur wenn das Verständnis für die atomare Ebene da sei, könne man effektive und sichere Wirkstoffe entwickeln.
„An der Schmerzverarbeitung sind nicht nur Opioid-Rezeptoren beteiligt, doch nur wenige dieser Alternativen wurden bislang für Therapien validiert“, erklärt er. Aktuell haben Gmeiner und sein internationales Team den Adrenalin-Rezeptor unter die Lupe genommen. Konkret geht es um den sogenannten „Alpha-2A-Adrenerge-Rezeptor“. Wirkstoffe wie Brimonidin, Clonidin oder Dexmedetomidin zielen bereits auf ihn ab. „Dexmedetomidin ist schmerzlindernd, wirkt jedoch auch stark sedierend, weshalb es auf Intensivbehandlungen im Krankenhaus beschränkt und für breitere Patientengruppen nicht geeignet ist“, erklärt der Professor.
Das Team wollte eine Verbindung finden, die ohne sedierende Effekte eine schmerzlindernde Wirkung aufweist. Mehr als 300 Millionen Moleküle wurden dafür untersucht, die an den Rezeptor passen, jedoch nicht mit den bekannten Substanzen verwandt sind. Mithilfe von Simulationen wurden schließlich knapp 50 Moleküle in die engere Auswahl genommen. Zwei blieben am Ende übrig und konnten vielversprechende Ergebnisse liefern: Sie verfügen über gute Bindungseigenschaften, aktivieren aber nur bestimmte Proteinsubtypen. Dadurch sind sie sehr selektiv in ihrer Wirkung.
Die Moleküle wurden anschließend optimiert und im Tiermodell getestet. „Verschiedene Tests haben bestätigt, dass die Bindung an den Rezeptor ursächlich für die erfolgreiche Analgesie war“, erklärt Gmeiner. „Erfreulich ist besonders, dass keine der neuen Verbindungen eine Sedierung verursachte, selbst bei wesentlich höheren Dosen, als zur Schmerzlinderung erforderlich gewesen wären.“ Die erfolgreiche Trennung von analgetischer und sedierender Wirkung sei ein Meilenstein bei der Entwicklung nicht-opioider Schmerztherapeutika.
Ein Vorteil der identifizierten Moleküle sei zudem, dass sie vergleichsweise leicht hergestellt und oral verabreicht werden können. Dennoch sieht Gmeiner noch keinen breiten Einsatz in der Humanmedizin: „Wir reden aktuell noch von Grundlagenforschung. Die Entwicklung von Medikamenten unterliegt strengen Regularien und braucht neben viel Geld auch viel Zeit. Dennoch stimmen uns die Ergebnisse sehr optimistisch.“
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