Droht die nächste Rückrufwelle?

NDMA: EMA prüft Ranitidin

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Berlin -

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüft Ranitidin. Der Grund: Tests ergaben, dass einige Ranitidin-haltige Produkte die Verunreinigung N-Nitrosodimethylamin (NDMA) enthalten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) will unmittelbar informieren, sobald sich der Verdacht erhärtet oder Chargen zurückgerufen werden müssen.

Im vergangenen Jahr sorgte NDMA als Auslöser des Valsartan-Skandals für Schlagzeilen. Im Frühjahr wurde die Verunreinigung auch im Antidiabetikum Pioglitazon nachgewiesen. Jetzt der nächste Schock: Präparate des H2-Rezeptorblockers Ranitidin können NDMA enthalten. Am 12. September leitete die EMA auf Hinweis der EU-Kommission das Verfahren ein.

Die EMA wertet nun die Daten aus, um beurteilen zu können, ob Patienten, die Ranitidin einnehmen, einem Risiko ausgesetzt sind. Die Ergebnisse würden so schnell wie möglich veröffentlicht. Patienten, die Fragen zu ihrer aktuellen Behandlung haben, sollen sich laut Behörde an ihren Arzt oder Apotheker wenden. Es stünden Alternativarzneimittel zur Verfügung.

Das BfArM ist in das europäische Verfahren aktiv eingebunden. „Ebenfalls steht das BfArM in Deutschland mit den für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Landesbehörden im engen Austausch“, teilt ein Sprecher mit. „Ziel ist es, die mögliche Verunreinigung dieser Arzneimittel mit NDMA zu überprüfen. Sobald sich aus dieser Überprüfung weitere Erkenntnisse mit Blick auf den Patientenschutz ergeben, wird das BfArM unverzüglich darüber informieren. Die europäischen Mitgliedsstaaten und die EMA hatten aufgrund einer ähnlichen Verunreinigung Valsartan-haltiger Arzneimittel neue, strengere Herstellungsanforderungen festgelegt und erarbeiten derzeit Leitlinien zur Vermeidung von Nitrosaminen in anderen Medikamentenklassen.“

Die EMA arbeitet derzeit an Leitlinien zur Vermeidung von Nitrosaminen in anderen Arzneimittelklassen. Auch die US-Arzneimittelbehörde FDA prüft Ranitid-haltige Arzneimittel, weil in einigen Chargen des Magenschutzes geringe Mengen des Nitrosamins nachgewiesen wurden.

NDMA zählt zu den Nitrosaminen und kann möglicherweise Krebs erzeugen. Im Tierversuch an Nagetieren wurde eine kanzerogene Wirkung auf Leber, Niere, Lunge und Blutgefäße bereits bei einer Gesamtdosis von 1 mg/kg Körpergewicht festgestellt. Bei oraler Gabe entwickelten sich vorwiegend Lebertumore. Zwar gibt es keine Daten zur Wirkung am Menschen, jedoch könne aufgrund der Gewebeähnlichkeit auf eine kanzerogene Wirkung geschlossen werden. Die Substanz methyliert die DNA-Basen Guanin und Adenin und kann auch in Trinkwasser, gepökeltem Fleisch sowie in alkoholischen Getränken vorkommen.

Deutsche Forscher hatten zuletzt 152 Präparate aus der Gruppe der Sartane von 39 Herstellern untersucht. Mit Hilfe der hochauflösenden Massenspektroskopie konnte nicht nur nach unerwarteten Substanzen gesucht werden; aufgrund der hohen Nachweisempfindlichkeit waren auch geringste Mengen noch detektierbar. Die Teams um Professor Dr. Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP), Professor Dr. Mona Abdel-Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) und Professor Dr. Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Würzburg wiesen in 21 Proben NDMA und in 9 Proben N-Nitrosodiethylamin (NDEA) nach, das sind 13,8 beziehungsweise 5,9 Prozent aller untersuchten Tabletten.

Mit Valeramid (VLA) und Dimethylvaleramid (VLA-DIM) wurden in 13 beziehungsweise 7 Proben zwei weitere Verunreinigungsprodukte nachgewiesen. Dies entspricht 8,6 beziehungsweise 4,6 Prozent. Im Gegensatz zu den Nitrosaminen gelten diese allerdings nicht als krebserregend. Damit wurden bei allen vier Sartanen mit Tetrazolring auch Nitrosamine gefunden. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Journal of Pharmaceutical and Biomedical Analysis“ veröffentlicht.

In den USA entdeckte die Versandapotheke Valisure bei der Untersuchung von Valsartan-Präparaten ein viertes Karzinogen: In diversen Chargen mehrere Anbieter wurden im Labor „hohe Mengen“ an N,N-Dimethylformamid (DMF) nachgewiesen. Schon die bisherigen Verunreinigungen waren laut Experten auf den Einsatz von DMF bei der Produktion zurückgeführt worden. Nun wurde auch das Lösungsmittel selbst in Fertigarzneimitteln von Novartis sowie den Generikaherstellern Alembic, Amneal, Aurobindo, Macleods und Lupin nachgewiesen. In den meisten Proben waren die Verunreinigungen im dreistelligen Nanogramm-Bereich; die Chargen von Macleods wiesen im Durchschnitt zwischen 4 und 76 µg auf.

Ranitidin blockiert den H2-Rezeptor, so werden die histaminabhängige Produktion der Salzsäure und die Freisetzung von Pepsin im Magen gehemmt. Der Wirkstoff kann als Magenschutz, gegen Sodbrennen, Reflux und Ösophagitis eingesetzt werden. Im Handel sind OTC-Präparate zu 75 mg oder verschreibungspflichtige Varianten zu 150 und 300 mg.

Mit Beschluss der EU-Kommission im vom 2. April muss der Zulassungsinhaber „für alle N-Nitrosamine gewährleisten, dass eine Kontrollstrategie für Chargen von Arzneimittelsubstanzen vorhanden ist, die für seine Arzneimittel verwendet wurden“. Ebenso müssen vom Inverkehrbringer die festgelegten Grenzwerte für N-Nitrosodimethylamin (NDMA) und N-Nitrosodiethylamin (NDEA) eingehalten werden.

Während einer Übergangsfrist von zwei Jahren sind für Nitrosamine folgende Grenzwerte einzuhalten:

  • Valsartan 320 mg: NDEA 26,5 ng/Tag und 0,082 ppm in der API und NDMA 96 ng/Tag und 0,300 ppm in der API
  • Losartan 150 mg: NDEA 26,5 ng/Tag und 0,177 ppm in der API und NDMA 96 ng/Tag und 0,640 ppm in der API
  • Olmesartan 40 mg: NDEA 26,5 ng/Tag und 0,663 ppm in der API und NDMA 96 ng/Tag und 2,400 ppm in der API
  • Irbesartan 300 mg: NDEA 26,5 ng/Tag und 0,088 ppm in der API und NDMA 96 ng/Tag und 0,320 ppm in der API
  • Candesartan 32 mg: NDEA 26,5 ng/Tag und 0,820 ppm in der API und NDMA 96 ng/Tag und 3,000 ppm in der API

Die Grenzwerte gelten jedoch nicht für Chargen, die mehr als eines der genannten Nitrosamine enthalten, dann ist die Charge abzulehnen. Nach der zweijährigen Übergangsphase ist für NDMA und NDEA ein Grenzwert von maximal 0,03 ppm umzusetzen, teilt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit.

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