Wirkstoffcheck Triptane

Naratriptan: Effektiv – aber nicht für jeden geeignet

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Berlin -

Mit einer Prävalenz von 10-15 Prozent ist Migräne ist eine der häufigsten Kopfschmerzformen. Während vor der Pubertät Jungen und Mädchen etwa gleich häufig betroffen sind, leiden Frauen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr dreimal häufiger an Migräne als Männer.1 Seit 2006 ist Naratriptan für die Selbstmedikation frei verfügbar, Almotriptan folgte fünf Jahre später. Weil bei der Anwendung von Triptanen einiges verkehrt gemacht werden kann, lohnt sich ein Blick auf die Wirkstoffgruppe.

Pharmakologie und Wirkmechanismus. Triptane sind Arzneistoffe, die in der Akuttherapie der Migräne eingesetzt werden. Chemisch sind sie Strukturverwandte des Serotonins (Indol-Ring) und Agonisten an den Serotonin-Rezeptoren vom Typ 5-HT1B und 5-HT1D, die bei der Migränegenese eine zentrale Rolle spielen.

Es kann mittlerweile als gesichert gelten, dass die Beschwerden über den fünften Hirnnerv (Trigeminus) und dessen vaskulärem System ausgelöst werden, wobei die tatsächliche Pathogenese en detail noch unklar ist. Zurzeit werden daher mehrere Hypothesen zur Entstehung der Migräne und ihrer Symptome diskutiert. Im Falle familiär auftretender Migräneformen mit nachgewiesenen Mutationen von CACNA1A-, ATP1A2- oder SCN1A-Gen ist von einer genetischen Prädisposition auszugehen.2,3

Bei der auf vaskuläre Geschehnisse gestützten Hypothese findet eine Aktivierung von Schmerz- und Dehnungsrezeptoren in den mit dem Trigeminalnervs assoziierten Blutgefäßen statt, durch die es reflektorisch zu der beobachteten Weitung der Blutgefäße kommt.4

Die Übererregbarkeitshypothese geht von einer erhöhten Sensibilität des occipialen Cortexes aus, die an die Freisetzung von Kaliumionen in den extrazellulären Raum und damit zu einer Depolarisation gekoppelt ist. Eine Streudepolarisation in den visuellen Cortex könnte die Entstehung der Aura erklären.5

Ebenfalls diskutiert wird die Ausschüttung von Schmerzmediatoren wie VIP (vasoactive intestinal peptide), Substanz P sowie zum Beispiel CGRP (Calcitonin-Gene-Related Peptide).

Naratriptan ist eines der Triptane, deren Wirkung relativ spät nach 60 Minuten einsetzt, dafür aber lange anhält. Darauf ist der Patient im Beratungsgespräch hinzuweisen. Möchte der Patient einen schnelleren Wirkungseintritt, so kann alternativ Almotriptan gegeben werden. Hier beträgt der Wirkeintritt 30 Minuten. Metabolisiert wird Naratriptan über mehrere CYP450-Isoenzyme, die Ausscheidung erfolgt überwiegend renal. Liegen schwere Leber- oder Niereninsuffizienzen vor, so darf Naratriptan nicht angewendet werden.

Dosierung, Einnahme und Dauer. Naratriptan ist zur Behandlung von Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren zugelassen, wobei die empfohlene Einzeldosis beträgt 2,5 mg beträgt. Treten die Symptome nach einer initialen Verbesserung wiederholt auf, kann der Patient die zweite Tablette einnehmen. Voraussetzung hierfür ist ein Mindesteinnahmeabstand von vier Stunden.

Eine Tageshöchstdosis von 5 mg darf nicht überschritten werden. Kinder und Jugendliche jünger als 18 Jahre dürfen Naratriptan nicht anwenden, da weder Sicherheit noch Wirksamkeit bei diesem Patientenkollektiv untersucht wurden; ebenfalls liegen keine Daten für die Anwendung bei noch jüngeren Patienten vor. Das gleiche gilt für ältere Patienten ab 65 Jahren.

Schwangeren sollte man nicht zu Naratriptan raten. Laut Embryotox ergaben sich zwar keine Hinweise auf eine erhöhte Fehlbildungsrate bei Anwendung im ersten Trimenon, der Erfahrungsumfang ist jedoch gering. Im späteren Schwangerschaftsverlauf wird der vaskonstriktive Einfluss der Triptane auf Frühgeburtlichkeiten und Geburtsgewicht diskutiert. Aus diesen Gründen ist – wenn ein Triptan gegeben werden muss – die Verwendung von Sumatriptan vorzuziehen, das besser untersucht ist. Alternativ hierzu stehen Paracetamol als Monotherapeutikum beziehungsweise in Kombination mit Coffein oder Codein zur Verfügung.6 In der Stillzeit ist eine Einnahme prinzipiell möglich, jedoch wird empfohlen, bis 24 Stunden nach der Einnahme nicht zu stillen.7

Im Beratungsgespräch. Obwohl den Triptanen im Allgemeinen sehr gute Verträglichkeit bescheinigt wird, müssen vor der Abgabe einige Sachverhalte abgeklärt werden. Zunächst ist herauszufinden, ob eine Migräne überhaupt vorliegt und in der Vergangenheit vom Arzt diagnostiziert wurde. Im Zweifelsfall kann auf nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ausgewichen werden.

Aufgrund des Wirkungsmechanismus' sind Triptane bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen wie Durchblutungsstörungen des Herzens oder des Gehirns kontraindiziert.8

Viele Patienten sind überrascht, in der Packung nur zwei Tabletten vorzufinden, hier gilt es auf die richtige Einnahme hinzuweisen: Bei den ersten Migränekopfschmerzen ist die erste Tablette einzunehmen, eine frühere Einnahme in der Prodromal- oder der Auraphase ist wirkungslos.9,10

Ebenfalls ist die Komedikation des Patienten zu erfragen: Triptane dürfen nicht mit Ergotamin-Derivaten als Migränetherapeutika kombiniert werden.

Liegt eine Erstverwendung vor, so sollte auch auf die Nebenwirkungen verwiesen werden. Sehr häufig können Schwindel, Übelkeit und Erbrechen sowie Hitzegefühle auftreten. Patienten berichteten von einem schmerzhaften Engegefühl in der Brust sowie seltener von pectinösen Anfällen. Gelegentlich wurde von einem Blutdruckanstieg innerhalb der ersten zwölf Stunden berichtet.12

Wichtig zu wissen ist auch, dass auch Triptane bei unsachgemäßem Gebrauch Analgetika-induzierten Kopfschmerz auslösen können, hier ist der Patient bei Auffälligkeiten in der Einnahme wie dem mehrmaligen Wunsch innerhalb eines Monats hinzuweisen und an den behandelnden Arzt zu verweisen.

Alternativ zu Naratriptan stellen klassische Schmerzmittel wie beispielsweise Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen gemäß Leitlinie Mittel der ersten Wahl dar zur Behandlung dar.

Eine Kombination aus ASS und Paracetamol (je 250 bis 265 mg) sowie Coffein (50 bis 65 mg) war der alleinigen Gabe der Einzelsubstanzen respektive einer Kombination aus dem Salicylsäurederivat und Paracetamol überlegen.11 Auch für die Monotherapie mit Ibuprofen 200 mg und 400 mg liegen gut belegte Studien vor, erstaunlicherweise leider nicht für Ibuprofen-Lysinat.

Zusatzempfehlungen. Gemäß der aktuellen Leitlinie liegen für die bekannten Supplementempfehlungen keine prospektiven Wirksamkeitsbelege vor. In praxi jedoch hat sich bei der Prophylaxe von Migräne die regelmäßige Einnahme von zweimal täglich 300 mg Magnesium bewährt. Coenzym Q10 und B-Vitamine sind ebenfalls allein oder kombiniert erhältlich und sollen Anfälle verhindern, allerdings ist hier die Datenlage bestenfalls heterogen, die Erfolgserfahrungen bei Patienten sind sehr individuell.

Neben der Selbstmedikation ist es wichtig, auslösende Triggerfaktoren auszuschalten beziehungsweise zu vermeiden. Regelmäßigkeit, ein geordneter Schlaf-Wach-Rhythmus steht dabei an vorderster Stelle. Stress und Anspannung können durch Entspannungsmaßnahmen wie der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobsen versucht werden abzubauen.

Auch besteht ausreichende Evidenz, dass Akupunktur einen zusätzlichen Nutzen in der Prophylaxe der episodischen Migräne erbringt, allerdings nicht dafür, dass sie einer Scheinakkupunktur überlegen ist. Ob Akupunktur den Entspannungsübungen überlegen ist, dazu konnten bislang keine Aussagen getroffen werden.13


[1] S1-Leitlinie: Therapie der Migräne. Stand: September 2012 Änderung am 21.03.2013, gültig bis: 2015 AWMF-Registriernummer: 030 – 057, Gültigkeit verlängert bis 2017. Abgerufen am: 10.08.16.

[2] J Haan, AM van den Maagdenberg et al.: Migraine and epilepsy: genetically linked?. In: Expert Rev Neurother. 8, Nr. 9, September 2008, S. 1307–11.

[3] AH Stam, AM van den Maagdenberg et al.:Genetics of migraine: an update with special attention to genetic comorbidity. In: Curr. Opin. Neurol.. 21, Nr. 3, Juni 2008, S. 288–93.

[4] J Haan, AM van den Maagdenberg et al.: Migraine and epilepsy: genetically linked?. In: Expert Rev Neurother. 8, Nr. 9, September 2008, S. 1307–11.

[5] AH Stam, AM van den Maagdenberg et al.:Genetics of migraine: an update with special attention to genetic comorbidity. In: Curr. Opin. Neurol.. 21, Nr. 3, Juni 2008, S. 288–93.

[6] JR Graham, HG Wolff: Mechanism of migraine headache and action of ergotamine tartrate. Archives of Neurology & Psychiatry. 39, 1938, S. 737-763.

[7] MA Moskowitz, K Nozaki, RP Kraig: Neocortical spreading depression provokes the expression of c-fos protein-like immunoreactivity within trigeminal nucleus caudalis via trigeminovascular mechanisms. In: J. Neurosci.. 13, Nr. 3, März 1993, S. 1167–77.

[8] www.embryotox.de : Naratriptan.

[9] Fachinformation: Naramig 2.5 mg. Stand 03/16.

[10] Fachinformation: Formigran 2.5 mg. Stand 12/13.

[11] D Bates, E Ashford, R Dawson et al.: Subcutaneous sumatriptan during the migraine aura. Neurology 1994; 44: 1587–1592. Analogschluss gemäß S1-Leitlinie aufgrund des gleichen Wirkmechanismus'.

[12] Olesen J, Diener HC, Schoenen J et al. No effect of eletriptan administration during the aura phase of migraine. Europ J Neurol 2004b; 11: 671–677.

[13] S1-Leitlinie: Therapie der Migräne. Stand: September 2012 Änderung am 21.03.2013, gültig bis: 2015 AWMF-Registriernummer: 030 – 057, Gültigkeit verlängert bis 2017. Abgerufen am: 10.08.16.

[14] Fachinformation: Naramig 2.5 mg. Stand 03/16.

[15] S1-Leitlinie: Therapie der Migräne. Stand: September 2012 Änderung am 21.03.2013, gültig bis: 2015 AWMF-Registriernummer: 030 – 057, Gültigkeit verlängert bis 2017. Abgerufen am: 10.08.16.

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