Nicht-dystrophe Myotonie

Namuscla statt Off-Label

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Berlin -

Namuscla (Mexiletin) ist das erste und einzige Medikament, das zur symptomatischen Behandlung der nicht-dystrophen Myotonie (NDM) bei Erwachsenen in Europa zugelassen ist. Im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wurden von Hormosan neue Daten vorgestellt.

Bei NDM handelt es sich um eine erblich bedingte neuromuskuläre Erkrankung: Die Muskeln der Betroffenen können sich nach einer Kontraktion nicht entspannen. Dies führt häufig zu einer Beeinträchtigung im Alltag: Denn die Steifheit kann sowohl beim Händeschütteln, Blinzeln, Treppensteigen oder während des Gehens plötzlich auftreten. Betroffen sein können Beine, Arme oder Gesichtsmuskeln. „Der Patient muss jederzeit damit rechnen, dass er nach einem Händedruck oder beim Festhalten im Bus nicht mehr loslassen kann“, erläuterte Professor Dr. Stephan Zierz, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Halle (Saale).

Begründet ist die plötzliche Steifheit in einer Genmutation: Diese führt zu einer funktionalen Störung der Natrium- oder Chlorid-Kanäle der Skelettmuskulatur und dadurch zu einer veränderten Membranerregbarkeit. Nach einer Muskelkontraktion kommt es zu einem verlängerten Aktionspotential und zu unkontrollierten repetitiven Nachpotentialen, die eine Entspannung der Muskulatur verhindern. Myotonie beginnt meist schon in der Kindheit und bleibt während des gesamten Lebens bestehen. Neben der typischen Steifheit kann es auch zu anderen Beschwerden wie Krämpfen, Schmerzen, Schwäche oder Schluckbeschwerden kommen.

Lange standen keine zugelassenen Therapien zur Verfügung. Antiarrhythmika werden jedoch seit Jahren im Off-Label-Use zur Linderung der Symptome und zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass sich keine Auffälligkeiten im EKG zeigen, erklärte Dr. Christiane Schneider-Gold, Oberärztin in der Neuromuskulären Ambulanz des Klinikums Bochum.

 

Eingesetzt werden vor allem Klasse-I-Antiarrhythmika – die sogenannten Natriumkanalblocker: Diese binden an eine Untereinheit des spannungsabhängigen Natriumkanals. Zu ihnen zählt auch Mexiletin – der erste Wirkstoff, welcher offiziell zur Behandlung der NDM zugelassen ist. Er wirkt gezielt auf Natriumkanäle mit verlängertem Aktionspotential und überlanger Depolarisationsphase und weniger auf Kanäle mit normaler physiologischer Erregbarkeit. Dadurch wird die Übererregbarkeit gelindert und die Muskelsteifigkeit verringert. Das Antiarrhythmikum ist in der EU bereits seit den 70er Jahren zugelassen.

In der S1-Leitlinie werden verschiedene Natriumkanalblocker zur symptomatischen Behandlung der Myotonie genannt: Darunter Mexiletin, Propafenon, Flecainid und Phenytoin. Die Besonderheit: „Mit Ausnahme von Mexiletin ist keiner dieser Wirkstoffe für die Behandlung von Patienten mit nicht-dystrophen Myotonien zugelassen“, erklärte Schneider-Gold. Ende 2018 erhielt Hormosan die EU-Zulassung bei NDM, seit Februar ist Namuscla auch in Deutschland verfügbar. Der Arzneistoff ist bereits seit 2010 in Frankreich für die Behandlung bestimmter Formen myotoner Störungen zugelassen. Im November 2014 hat Namuscla den Status Orphan Drug zugesprochen bekommen. „Im Alltag erleben die Patienten unter Mexiletin für gewöhnlich eine schnelle und spürbare Linderung der myotonen Symptome, die ohne Medikament rasch wieder schwindet“, sagte Zierz. Probleme mit der Compliance gäbe es daher so gut wie keine.

Wirksamkeit und Sicherheit von Namusclawurden in der multizentrischen, doppelblinden, placebokontrollierten Crossover-Studie „Myomex“ bei Erwachsenen mit NDM, sowie zwei weiteren placebo-kontrollierten klinischen Studien und einer retrospektiven Langzeitstudie geprüft. Namusclaführte zu einer signifikanten Verbesserung der Muskelfunktion und einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität im Vergleich zu Placebo. Es konnte gezeigt werden, dass unter 167 bis 500 mg pro Tag die Symptome der Myotonie im Vergleich zu Placebo wesentlich zurückgingen. Dabei war der Wirkstoff gut verträglich: Gastrointestinale Beschwerden und Schlaflosigkeit wurden als häufigste unerwünschte Ereignisse gemeldet.

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