Armolipid: Statin für die Freiwahl Nadine Tröbitscher, 17.02.2017 09:03 Uhr
Roter Reis kann LDL-Cholesterin und Homocystein senken. Denn durch Fermentation entsteht Lovastatin. Der eigentlich verschreibungspflichtige Lipidsenker kann bis zu einer Tagesdosis von 5 mg als Nahrungsergänzungsmittel frei verkauft werden – obwohl in einer Studie aus dem vergangenen Jahr die pharmakologische Wirkung nachgewiesen wurde.
Roter Reis entsteht durch Fermentation von gekochtem weißem Reis mit dem Pilz Monascus purpureus. Während des Prozesses entstehen das rote Pigment und Monacolin K, das für die Wirkung verantwortlich ist. In der Pharmazie wird der Wirkstoff Lovastatin genannt.
Experten staunten daher nicht schlecht, als das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) 2006 entschied, dass entsprechende Produkte nicht als Arzneimittel einzustufen sind. Die Richter verwiesen auf die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs: Nur Produkte, die physiologische Funktionen „nachweisbar und in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen“, fallen demnach unter den Arzneimittelbegriff.
So blieb den Behörden nichts anderes übrig, als vor der Einnahme zu warnen und gegen unzulässige Aufmachungen und höhere Dosierungen vorzugehen. Vor einem Jahr wies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) noch einmal auf die Risiken hin. Eine gemeinsame Expertenkommission von BfArM und Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gab eine Stellungnahme ab.
Überraschend erschien kurz darauf im Fachjournal „Nutrition Research“ eine Untersuchung zu Armolipid. In der zwölfwöchigen placebokontrollierten Interventionsstudie belegen Experten der Leibnitz-Universität Hannover und des Nordwest-Krankenhauses in Frankfurt die Wirkung des Nahrungsergänzungsmittels von Meda. Das Produkt kommt ursprünglich von Rottapharm/Madaus und enthält 3 mg Monacolin K sowie Coenzym Q10 und Astaxanthin. Ausgelobt werden ausschließlich Effekte der ebenfalls enthaltenen Folsäure auf Stoffwechsel und Immunsystem. Auf die lipidsenkende Wirkung geht der Hersteller nicht ein.
Doch die Studie belegt genau diesen: Die 151 Probanden, die nicht vorbehandelt und nicht Statin-pflichtig waren, hatten einen LDL-Wert zwischen 160 und 220 mg/dl. Die Verumgruppe erhielt pro Tag eine Tablette Armolipid. Die Einnahme erfolgte nach den Mahlzeiten.
In den ersten sechs Wochen konnte eine Reduktion des LDL um 14,8 Prozent und des Gesamt-Cholesterins um 11,2 Prozent festgestellt werden. In der Placebogruppe gab es keine signifikante Änderung. Die Hälfte der Teilnehmer der Armolipid-Gruppe erreichte einen LDL-Wert unter 160 mg/dl und lag somit unter dem empfohlenen Grenzwert. Die Verumgruppe verzeichnete nach zwölf Wochen eine Senkung des Homocysteinwertes um 12,5 Prozent im Vergleich zur Placebogruppe.
Also doch eine pharmakologische Wirkung? Laut BfArM müssen die zuständigen Aufsichtsbehörden in den Ländern nun entscheiden, ob sie nach Paragraf 21 Absatz 4 Arzneimittelgesetz (AMG) einen Antrag auf Zulassungspflicht als Arzneimittel stellen. Dann könnte der Markt neu aufgerollt werden – was Meda als Pharmahersteller mit starker Präsenz in der Apotheke sogar entgegen kommen könnte.
Monacolin K besitzt die gleiche Struktur wie Lovastatin und hemmt die HMG-CoA-Reduktase. In der Folge wird die Cholesterinsynthese in der Leber gesenkt. Laut BfArM hat eine Tagesdosis von 4 bis 5 mg Monacolin eine pharmakologische Wirkung, die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zieht die Grenze bei 10 mg. Folsäure ist die Vorstufe von Tetrahydrofolsäure (THF), das Coenzym für die Methylierung von Homocystein zu Methionin ist.
Erhöhte Homocystein- und LDL-Spiegel können Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein und Blutgefäße schädigen. Es bestehe weiterhin ein Zusammenhang zwischen Depressionen sowie Demenzerkrankungen im Alter und einem erhöhten Homocysteinspiegel. Die Gabe von Armolipid zusätzlich zu einem entsprechenden Lebensstil kann laut Studie das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bedingt durch erhöhte LDL- und Homocystein-Werte senken.