Onkologie

Muttermilchpeptid gegen Krebs

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Berlin -

Krebs zählt zu den weltweit häufigsten tödlichen Erkrankungen. Nicht alle Tumorarten sprechen gut auf eine Chemo- oder Strahlentherapie an. Als schwer behandelbar gelten unter anderem das maligne Melanom, Hirntumore sowie Metastasen, die in allen Körperregionen auftreten können. An der Universität Graz wurde ein neuer Therapieansatz entdeckt – ein Peptid aus der Muttermilch soll die Krebszellen aufspüren und den programmierten Zelltod auslösen.

Krebszellen und gesunde Körperzellen unterscheiden sich laut Angaben des Forscherteams um Dr. Dagmar Zweytick in ihrer Membranhülle. Die Außenseite von Krebszellen trägt negativ geladene Moleküle in Form des Lipids Phosphatylserin (PS), das als Biomarker genutzt werden kann. Gesunde Zellen hingegen weisen eine neutrale Ladung auf. Zweytick ist Assistenzprofessorin am Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz und leitet das Team im Rahmen des Projektes vom Wissenschaftsfond FWF. Veröffentlicht wurden die Forschungsergebnisse in „Science direct“.

Die Biophysikerin arbeitet etwa seit 2002 mit dem Eiweißmolekül Lactoferrin (hLFcin) aus der Muttermilch. Neugeborene werden nicht nur mit Nährstoffen versorgt, sondern auch mit mit hLFcin als Teil des angeborenen Immunsystems. Das Eiweißmolekül geht als Abwehrreaktion gegen negativ geladene körperfremde Zellen wie Bakterien oder Pilze vor. Dem nach außen positiv geladenen Peptid werden antimikrobielle, antivirale und entzündungshemmende sowie antikrebsaktive Eigenschaften zugesprochen. Gesunde Zellen bleiben unverändert.

Nun soll es gegen körpereigene veränderte Zellen wie Tumorzellen zum Einsatz kommen. Dafür musste das Forscherteam das Eiweiß umbauen. „Die größte Herausforderung im Designprozess war, die richtige Balance von Toxizität und Spezifizität zu finden. Wenn die Peptidstücke zu aktiv gestaltet werden, greifen sie auch gesunde Körperzellen an. In Kontrollversuchen haben wir uns immer wieder rückversichert, dass nur Krebszellen gefunden und normale Zellen verschont werden“, erläutern Zweytick und Postdoktorandin Sabrina Riedl.

Über etwa vier Jahre arbeitete das Team an der idealen Anordnung der Aminosäuresequenzen. Anschließend fanden erste in-vivo-Studien mit Mäusen statt: Tiere, die mit humanem Krebsgewebe transplantiert wurden, wurde entweder mit dem Peptid behandelt wurden oder nicht. Die Ergebnisse wurden mit gesunden Kontrollmäusen verglichen.

Die Forscher konnten bei den peptidbehandelten Krebsmäusen einen starken bis vollständigen Rückgang der Tumore feststellen. In Bezug auf das maligne Melanom wurde im Durchschnitt eine Verbesserung von 85 Prozent und bei den Hirntumoren um 50 Prozent im Vergleich zu den unbehandelten Mäusen verzeichnet. Im Gegensatz zum Muttermilchpeptid waren die modifizierten Wirkstoffe zehnmal stärker. Die gesunden Kontrollmäuse trugen keinen Schaden davon, da mit der Zellmembran gesunder Zellen keine Interaktion stattfand.

Das positiv geladene Antitumor-Peptid interagiert mit dem negativ geladenen PS-Marker der Tumorzelle und gelangt in die Krebszelle, wo es mit den Kraftwerken – den Mitochondrien – reagiert und binnen Stunden den kontrollierten Zelltod auslöst.

Die wirksamen Modifizierungen von hLFcin wurden in der EU und den USA bereits zum Patent angemeldet. Zweytick und ihr Team sind bereits an den Vorbereitungen präklinischer Studien – in Zusammenarbeit mit einem Pharmaunternehmen. Bevorzugt werde eine Applikation über die Vene, um möglichst auch die Metastasen zu erreichen. Studien müssen jedoch belegen, dass der Wirkstoff im Blut stabil ist und die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann.

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