Seit einigen Jahren hat die Nahinfrarotspektroskopie (NIR) Einzug in die Apotheken gehalten. Als weitere Variante kann die mittlere Infrarotspektroskopie (MIR) im Labor zur Identitätsprüfung genutzt werden. Mit ihr können zudem Gehaltsprüfungen bei halbfesten Zubereitungen durchgeführt und gänzlich unbekannte Proben getestet werden.
Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) fordert nach § 6, dass ein in der Apotheke hergestelltes Arzneimittel „nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln“ zu prüfen und mindestens die Identität festzustellen ist. Bei fast allen apothekenrelevanten Stoffen wird in den Monographien des Europäischen Arzneibuchs (Ph. Eur.) die Prüfung der Identität mit Hilfe der Infrarotspektroskopie im Mittleren Infrarot nach Kapitel 2.2.24 genannt.
Die Nahinfrarotspektroskopie (NIR) steht zwar nicht in der ersten Reihe der Monographien, das Arzneibuch lässt jedoch „alternative Prüfmethoden“ zu, solange diese zu den gleichen Ergebnissen führen. Dazu zählt auch die in Apotheken bekannte NIR-Spektroskopie. Sie darf ebenfalls zur Prüfung der Ausgangsstoffe in der Apotheke eingesetzt werden, die Akzeptanz bei Überprüfungen durch den Amtsapotheker ist jedoch unterschiedlich. Die MIR-Spektroskopie liefert im Vergleich zur NIR ein noch charakteristischeres Spektrum, welches durch mehr Informationen der Schwingungstypen entsteht. Dadurch kommt es zu einem charakteristischen „spektralen Fingerabdruck“ des Arzneistoffes, der eine eindeutige Identifikation erlaubt.
Ein Beispiel für den Einsatz der MIR-Spektroskopie ist das „Alpha II“ der Firma Bruker, welches seit 2017 erhältlich ist. Das Gerät nutzt die abgeschwächte Totalrefelxion (ATR): Für die Analyse müssen keine Presslinge mehr angefertigt werden. Die zu identifizierende Substanz wird direkt auf einen Diamant-Kristall gepresst und untersucht. Eine Probenvorbereitung ist daher nicht nötig. Ähnlich wie die bei der NIR-Spektroskopie zu Beginn erforderliche Kalibrierung, erfolgt bei der MIR-Messung eine Nullmessung durch die Erstellung eines Hintergrundspektrums.
Nach dem Auftragen der Probe auf den Diamanten durchdringt das Infrarotlicht den Kristall, es kommt zu Wechselwirkungen mit der aufgetragenen Substanz. Dabei ergibt sich das probenspezifische Spektrum, welches der zu prüfenden Substanz zuzuordnen ist. NIR-Spektren bieten weniger Unterscheidungsmerkmale. Die Auswertung erfolgt deshalb indirekt chemometrisch über eine Vielzahl mathematischer Methoden. Für Infrarot-Analysen reichen schon geringe Mengen der Substanz aus: Bereits ein Tropfen oder eine Spatelspitze genügen für die MIR-Messung. Die Reinigung des Gerätes erfolgt mithilfe eines weichen Tuchs: Die aufgetragene Substanz kann einfach abgewischt werden. Bei sehr öligen Ausgangsstoffen kann auch etwas Isopropanol verwendet werden, um den Kristall zu säubern. Das Spülen von zusätzlichen Gefäßen oder Hilfsmitteln ist nicht erforderlich.
Die MIR-Spektroskopie kann auch gänzlich unbekannte Proben identifizieren: So kann der Inhalt eines falsch oder unbeschrifteten Gefäßes schnell ermittelt werden. Die Referenzbibiliothek kann bei der MIR-Spektroskopie jederzeit durch den Anwender erweitert werden, beim NIR erfordert das Erweitern ein fundiertes Hintergrundwissen und ist nicht einfach möglich. Die Datenbank des Alpha II umfasst etwa 700 bis 800 Einträge. Einige Stoffe können jedoch nicht eindeutig identifiziert werden, da die strukturellen Unterschiede zu gering sind: Maisstärke ist beispielsweise nicht eindeutig von Weizenstärke zu unterscheiden, ebenso wie verschiedene Öle untereinander. Bei diesen wenigen Substanzen muss noch eine zusätzliche Prüfung erfolgen. Häufig reichen organoleptische Prüfungen auf Geruch oder Geschmack aus.
Mit einem speziellen TR-Multireflexions-Modul kann mit dem Alpha II auch die Wirkstoffkonzentration in Salben und Lösungen ab einem Prozent ermittelt werden. Dadurch kann die Prüfung von Rezepturen und Defekturen erleichtert werden. Die Grundausstattung des Alpha II kostet etwa 19.900 Euro, damit liegt er preislich etwa im gleichen Rahmen wie NIR-Geräte. Weitere regelmäßige Zahlungen für Lizenzgebühren, Updates oder ähnliches entstehen nicht. Das Zusatzmodul für die Prüfung des Wirkstoffgehaltes muss jedoch zusätzlich erworben werden und kostet rund 2000 Euro. Für Apotheken wird auch ein Leasingmodell angeboten.
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