Die Publikation im Fachmagazin Lancet über multiresistente Bakterien mit dem Gen NDM-1 hat ein großes mediales Echo hervorgerufen. Sogar vom „Ende der Antibiotika“ ist die Rede. Aber was ist wirklich dran am „Super-Bakterium“? Ein Grund zur weltweiten Panik gibt es nach Ansicht von Dr. Martin Kaase, stellvertretender Leiter des Nationalen Referenzzentrums für gramnegative Krankenhauserreger in Bochum, derzeit nicht. Besorgniserregend sei aber, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht mit neuen Antibiotika gegen multiresistente gramnegative Bakterien zu rechnen sei.
Das Resistenzgen wurde bislang in Enterobakterien wie Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae nachgewiesen. Es verschlüsselt das Enzym Neu-Delhi-Metallo-Beta-Laktamase (NDM-1), das zu den Carbapenemasen zählt. Das Enzym inaktiviert nicht nur Reserveantibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme (Doripenem, Ertapenem, Imipenem und Meropenem), sondern auch andere Betalactam-Antibiotika.
Nach Angaben des Referenzzentrums kommt das Gen in der Regel in Bakterienstämmen vor, die bereits gegen andere Antibiotika als die der Betalactame resistent sind. Die Erbinformationen der Wirkstoff-spaltenden Enzyme wird außerhalb der Bakterienchromosomen in Plasmiden verschlüsselt, die leicht von einem Keim auf eine anderen übertragen werden können. Solche Plasmide tragen oftmals nicht nur das Gen eines Resistenzmechanismus, sondern mehrerer Mechanismen gleichzeitig, so dass die Erreger beispielsweise auch noch gegenüber Chinolonen, Aminoglykosiden oder Tetrazyklinen unempfindlich sind.
Zwar seien die Bakterien nicht virulenter als andere der gleichen Spezies, so das Robert Koch-Institut (RKI). Durch die Resistenz gegenüber Carbapenemen verblieben allerdings wenige therapeutische Alternativen. Eine Ausnahme bilden die beiden Wirkstoffe Colistin und Tigecyclin. Colistin zählt zu den Polypetidantibiotika aus der Gruppe der Polymyxine; Tigecyclin gehört zu den Tetrazyklinantiobiotika.
NDM-1-Bakterien wurden erstmals 2009 in einem Fachartikel beschrieben. Allerdings gibt es andere Gene, die ebenfalls Carbapenemasen kodieren, und seit mehr als zehn Jahren bekannt sind. Laut Referenzzentrum ist die Bedeutung von NDM-1 aus mikrobiologischer und epidemiologischer Sicht aktuell nicht höher einzustufen als die schon länger bekannten Resistenzgene.
In Deutschland sind mittlerweile vier klinische Fälle bekannt, bei denen NDM-1 nachgewiesen worden ist. Zwei davon stammen aus Proben, die im Bochumer Referenzzentrum analysiert worden waren. Man gehe davon aus, dass das Resistenzgen derzeit noch extrem selten vorkomme, heißt es dort. Weniger als jeder tausendste Erreger der Art Klebsiella pneumoniae trägt einer Schätzung zufolge das NDM-1-Gen, andere Enterobakterien sogar noch seltener.
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