Nach Todesfall: EMA prüft Zinbryta Nadine Tröbitscher, 04.07.2017 11:34 Uhr
Ein Risiko für Leberschädigungen unter der Behandlung mit Zinbryta (Daclizumab, Biogen) ist bereits in die Fachinformation aufgenommen, dennoch prüft die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) den Wirkstoff. Auslöser ist der Tod einer Patientin.
Vier Injektionen Zinbryta hatte eine deutsche Patientin mit Multipler Sklerose (MS) erhalten; sie starb später an den Folgen eines akuten Leberversagens. Leberenzyme und Bilirubinwerte wurden jedoch vorschriftsmäßig während der Behandlung überprüft. Die Patientin wurde außerdem mit einem Vitamin-D-Präparat und einem Arzneimittel zur Muskelentspannung behandelt. Die Frau ist jedoch kein Einzelfall – weitere Fälle von Leberschädigungen unter Daclizumab sind berichtet worden.
Serumtransaminasen und Bilirubinwerte sollen vor Therapiebeginn, monatlich während der Behandlung und bis vier Monate nach der letzten Injektion überprüft werden. Erhöhen sich die Parameter, sollte die Therapie unterbrochen beziehungsweise abgesetzt werden. Bis zur Entscheidung der EMA sollen Patienten engmaschig überwacht und über das Risiko einer Leberschädigung und deren Symptome informiert werden.
Die Patienten sollten auf erste Anzeichen wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, gelbliche Verfärbung der Haut und der Lederhaut des Auges sowie dunklen Urin achten und ihren Arzt darüber informieren. Klinische Studien zeigten bei 1 Prozent der Patienten schwerwiegende Ereignisse einschließlich Autoimmunhepatitis, Hepatitis und Gelbsucht.
Daclizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der an T-Zellen bindet, die Teil des Immunsystems sind und durch Interleukin-2 (IL-2) aktiviert werden. Durch Bindung von Daclizumab an die T-Zellen kann IL-2 nicht mehr angreifen – eine Schädigung der Nervenzellen bleibt aus. Seit August 2016 ist Zinbryta zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (RMS) zugelassen.
Bei MS zerstören Immunzellen die isolierende Hüllschicht der Nervenfasern (Myelinscheide), sodass die Weiterleitung von Signalen gestört ist. Bei Gesunden hält das Abwehrsystem solche Immunzellen in Schach, unter anderem durch die spezielle Gruppe der Suppressorzellen, auch regulatorische T-Zellen genannt. Diese fehlen bei MS-Patienten, sodass die überschießende Abwehr des Immunsystems nur unzureichend gebremst wird.
Die Wirksamkeit von Daclizumab wurde in Studien mit mehr als 2400 Probanden bestätigt. Eine Studie mit 600 Teilnehmern zeigte eine Reduktion der Schübe unter Behandlung mit 150 mg alle vier Wochen auf im Durchschnitt 0,21 Schübe pro Jahr. Die Placebo-Gruppe zeigte hingegen 0,46 Schübe pro Jahr. Eine weitere Studie mit etwa 1800 Teilnehmern zeigte einen Vergleich zu Interferon-Beta-1a. Zinbryta-Probanden erlitten im Durchschnitt 0,22 Schübe im Jahr, die Interferon-Gruppe 0,39.