Forscher haben erstmals den Wirkmechanismus von Ambroxol aufgeklärt. Demnach greift der Wirkstoff direkt in die Vorgänge der pulmonalen Lysosomen ein und unterstützt die Exozytose von schädigenden Stoffen. Mit den Erkenntnissen zum Wirkmechanismen eröffnen sich auch neue Einsatzmöglichkeiten für den Wirkstoff.
Ambroxol wird seit mehr als 35 Jahren verwendet und ist aus der Sichtwahl nicht wegzudenken. Der Wirkstoff wird eingesetzt zur sekretolytischen Therapie bei akuten und chronischen Erkrankungen von Bronchien und Lunge, die mit einer Störung der Schleimbildung und des -transportes einhergehen. Außerdem kommt Ambroxol bei der Behandlung von akuten Halsschmerzen und als Injektionslösungen zur Förderung der pränatalen Lungenreifung und zur Atemnotsyndrom-Prophylaxe zur Anwendung.
Die Forscher der Universität Ulm um Professor Dr. Paul Dietl konnten nun erstmals zeigen, wie Ambroxol seine Wirkung entfaltet. Sie untersuchten einen bestimmten Zelltyp in der Lunge, die sogenannten Typ-II-Pneumocyten. Deren Lysosomen spielen bei der Sekretbildung eine wichtige Rolle. Wenn es zu Infektionen kommt, verschmelzen sie mit der Plasmamembran der Zellen und bauen mit Hilfe von Enzymen zelluläre Abfallprodukte ab. Durch Exozytose werden diese anschließend aus den Zellen befördert.
Mittels Röntgenspektroskopie konnte die Gruppe nachweisen, dass Ambroxol maßgeblich in diesen Vorgang eingreift. Der schwach basische Wirkstoff akkumuliert in den Lysosomen und neutralisiert den sauren pH-Wert der Zellen. Dadurch wird positiv geladenes Calcium aus den Lysosom-Speichern freigesetzt, ein wichtiger Botenstoff für die Exozytose. Die erhöhte Calcium-Konzentration im Zytoplasma bewirkt schließlich die Verschmelzung von Lysosomen und Plasmamembran.
In den Pneumozyten wird aus Phospholipiden und löslichen Proteinen Surfactant gebildet. Auch dieser Vorgang wird offenbar durch den Einfluss von Ambroxol unterstützt. Die Substanz bindet Partikel von Bakterien und Viren, die die Lunge schädigen können. Surfactant unterstützt damit die Selbstreinigung der Lunge und hilft, zähes Hustensekret abzutransportieren.
Die Wissenschaftler erklären sich durch diesen Mechanismus auch die entzündungshemmende Wirkung von Ambroxol. Surfactant ist ein wichtiger Bestandteil der nativen Immunabwehr. Eine verstärkte Produktion kann daher die Immunantwort verstärken und entzündungsfördernde Prozesse unterbinden.
Die Forscher sehen sogar noch mehr Potenzial für Ambroxol. Nach Ansicht von Dietl könnte sich der Wirkstoff auch für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen eignen, bei denen die Ablagerung zellulärer Bestandteile eine Rolle spielt. Es gibt Hinweise darauf, dass der Abtransport von altem Zellmaterial – beispielsweise bei Parkinson – das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen könnte. Dies soll nun weiter untersucht werden.
Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens Insight Health liegt Ambroxol hinter Xylometazolin auf Platz 2 der bei Erkältungskrankheiten eingesetzten Mittel. Rund 12 Millionen Packungen mit dem Wirkstoff werden pro Jahr abgegeben, die meisten davon entfallen auf Mucosolvan von Boehringer Ingelheim. Auf 59 Millionen Euro summieren sich die Abverkäufe in den Apotheken – bei einem Gesamtmarkt von rund 75 Millionen Euro. Die 1979 eingeführte Marke ist die drittstärkste des Konzerns im OTC-Bereich – hinter Buscopan und Dulcolax. Weit abgeschlagen folgen Ratiopharm, Aliud und Hexal.
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